Das Mädchen Ariela
Narriman und zwei Mädchen in kurzen europäischen Kleidern kamen ins Zimmer und rollten eine mit Früchten und Gebäck herrlich gedeckte Tafel herein. Und ein starker Kaffeeduft flog ihnen voraus.
»Meine Wüstentaube!« sagte Frank böse und zeigte auf Narriman. »In den Domstädten reduziert man die Tauben, weil ihr Kot die Steine der Dome zerfrißt. Daran hätte ich denken müssen. Jetzt ist meine Seele voll davon und zersetzt sich …«
Narriman warf ihrem Mann einen kalten Blick zu. Verachtung lag darin, ein solcher Hohn, daß Frank mit den Fingern auf den Tisch trommelte. Narriman goß Kaffee in die hohen Tassen, süßte ihn mit Honig und spritzte ein paar Tropfen Rosenöl hinein. Ein herrlicher Duft stieg Schumann in die Nase.
»Hast du keinen Schnaps?« fragte Frank. »Was soll ich mit deinem Rosenkaffee?«
»Es ist alles da.« Sie hob eine kleine Kühlbox auf den Tisch und klappte sie auf. »Bitte.«
»Aha! Gin! Doktor, sehen Sie … das wird aus einem, wenn man Narriman einmal geliebt hat und dann zum Zwangseunuchen degradiert wird: Man verheiratet sich mit Gin! Man frönt der Flasche.« Er goß sich ein Wasserglas voll puren Gin und setzte es an die Lippen. Narriman sah Schumann groß an. Sein Blick war voll Mitleid.
»Was haben Sie aus ihm gemacht?« sagte er leise, während Frank den Gin hinuntergoß.
»Einen guten Raketenforscher für Jordanien. Mehr soll er auch nicht sein!«
»Und Sie glauben, daß ich auch so werde?«
»Ich weiß es nicht.« Narriman strich sich über die lackglänzenden schwarzen Haare. Ihre Augen waren tiefgründig. »Es gibt auch im Leben einer Frau wie ich einen Abschnitt, wo Staatsinteresse und Herz zusammenfallen. Sie sind dabei, das Herz zu töten.«
Herbert Frank hatte das Wasserglas Gin ausgetrunken. Sein ausgedörrtes Gesicht hatte jetzt eine rötliche Farbe angenommen. Die etwas bläulichen Lippen wurden rosa. »Was flüstert ihr da?« rief er und lachte. »Macht Narriman Ihnen ein Angebot, Doktor? Nehmen Sie es an, um Himmels willen, sagen Sie zu! Wenn Sie bisher glaubten, Sie seien ein guter Liebhaber gewesen … bei Narriman werden Sie sich wie eine Schnecke vorkommen! Prost!«
Er griff wieder zur Ginflasche, goß sich ein und trank.
»Sie haben ihn völlig zugrunde gerichtet«, sagte Schumann und sah Frank an, der in den Kissen lag, die Flasche an die Brust gepreßt. »So etwas ist Mord! Mord auf Raten!«
»Er ist eine Marionette, weiter nichts.« Narriman aß ein paar Weintrauben, sie hielt die lange, bläulich schimmernde Traube hoch über sich und pflückte mit spitzen Fingern die besten Beeren heraus. »Haben Sie kein Mitleid mit ihm, Doktor … Herbert fühlt sich wohl.«
»Er wird an Leberschrumpfung und an Schwindsucht sterben.«
»Ich weiß es. Und er weiß es auch.« Sie sah Dr. Schumann groß an. »Wir müssen alle einmal sterben.«
»Aber nicht wie ein Vieh!« schrie Schumann plötzlich.
Narriman hob die Schultern, als erschrecke sie dieser moralische Aufschrei.
»Sie sehen es falsch, Doktor«, sagte sie. »Gibt es ein größeres Vieh als den Menschen?«
Auf diese Frage gab es für Dr. Schumann keine Antwort mehr. Er schämte sich plötzlich, denn er erkannte den Funken von Wahrheit.
Nach dem Kaffee fuhren sie mit zwei geschlossenen Wagen hinaus nach Madaba. Zur ›Landwirtschaftlichen Forschungszentrale‹, wo man ein Mittel gegen die Weinlaus suchte.
Hussein ben Suleiman erwartete sie vor dem Verwaltungsgebäude und führte Dr. Schumann dann in das herrliche, große, luftige, klimatisierte Labor, das ganz neu erbaut war und in dessen Fluren noch die Handwerker arbeiteten.
»Ihr Arbeitsplatz, Doktor!« sagte Suleiman. »Gestehen Sie, daß Sie überrascht sind, daß Sie solche Labors in Europa nicht haben.«
»Das stimmt.« Dr. Schumann sah sich um. Er ahnte, daß man ihm alle Mittel geben würde, die er brauchte. Er ahnte aber auch, daß er in diesen wundervollen hellen Räumen zerbrechen würde … an den Forderungen seiner Auftraggeber, an seinem Gewissen, an seiner menschlichen Schwäche, alles zu tun, um Ariela zu behalten und zu beschützen.
»Ich habe in einer Höhle angefangen«, sagte Herbert Frank. »Sie haben ganz andere Bedingungen als ich.«
Dr. Schumann wandte sich um zu Suleiman. Er begegnete einem Blick, der forschend und fragend war. Aber dahinter stand die kalte Entschlossenheit.
»Meine Forschungen sind noch nicht zu Ende«, sagte er. »Sie sind lückenhaft. Die Bakterien, die ich züchten konnte, verlieren ihre
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