Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
sich von Grania und drehte in der Küche Pirouetten. »Ich bin ja so glücklich!«, rief sie aus. Plötzlich hielt sie mitten in der Drehung inne und fragte: »Wo ist Daddy?«
»Aurora, hol Lily. Wir machen einen Klippenspaziergang«, schlug Grania vor.
»Ja. Bin gleich wieder da.«
»Ich warte draußen auf dich«, rief Grania ihr nach.
Kathleen trat zu ihrer Tochter und legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Viel Glück, Grania. Wir warten auf euch.«
Grania verließ die Küche mit einem wortlosen Nicken.
Aurora plapperte auf dem Weg den Hügel hinauf fröhlich vor sich hin, während das Hündchen Schmetterlinge jagte.
»Ich hab mir erst neulich gedacht, wie viel schöner mein Leben geworden ist«, stellte Aurora in ihrer merkwürdig erwachsenen Art fest. »Bevor ich dich und Kathleen und John und Shane kannte, war ich sehr einsam. Und ich liebe das Leben auf der Farm. Jetzt, wo du Daddy geheiratet hast, gehören sie alle zur Familie, oder?«
»Setzen wir uns, Aurora.« Grania deutete auf den grasbewachsenen Felsen.
»Ja.« Aurora nahm anmutig Platz, Lily kuschelte sich an sie. »Was ist los? Du willst mir was sagen, stimmt’s?«
»Ja, Aurora.« Grania griff nach der Hand des Mädchens.
»Geht’s um Daddy?«
»Ja. Woher weißt du das?«
»Keine Ahnung. Ich weiß es eben.«
»Aurora, Liebes, ich will mich kurz fassen …«
»Daddy ist tot.«
»Ja.«
»Und jetzt ist er im Himmel?«
»Ja. Nach unserer Hochzeit ging es ihm sehr schlecht, und er ist gestorben. Es tut mir leid.«
»Verstehe.« Aurora streichelte das Hündchen auf ihrem Schoß.
»Wir sind deine neue Familie und kümmern uns um dich. Daddy und ich, wir haben alle nötigen Papiere unterschrieben, damit ich dich so schnell wie möglich adoptieren kann. Dann bist du meine Tochter, und niemand kann dich mir wieder wegnehmen.«
Aurora zeigte keine erkennbare Reaktion.
»Du weißt, dass ich dich liebe wie mein eigenes Kind … Aurora, begreifst du, was ich dir zu erklären versuche?«
Aurora hob den Blick und schaute aufs Meer hinaus. »Ja. Mir war klar, dass er bald nicht mehr da sein würde. Ich wusste nur nicht, wann.«
»Woher?«
»Mummy …«, Aurora korrigierte sich, »… meine alte Mummy hat es mir gesagt.«
»Ach.«
»Sie hat gesagt, die Engel bringen ihn zu ihr in den Himmel.« Aurora sah Grania an. »Sie ist einsam da oben.«
»Ja.«
Aurora schwieg eine ganze Weile, bevor sie feststellte: »Er wird mir sehr fehlen. Ich hätte mich gern von ihm verabschiedet.« Sie biss sich auf die Lippe, und zum ersten Mal traten ihr Tränen in die Augen.
»Liebes, ich kann dir deine Eltern nicht ersetzen, verspreche dir jedoch, mich redlich zu bemühen.«
»Ich begreife ja, dass Mummy ihn bei sich haben will, aber warum verlassen mich alle, die ich gernhabe?«
Sie begann hemmungslos zu schluchzen. Grania nahm sie tröstend in den Arm.
»Ich lasse dich nicht im Stich«, murmelte Grania wieder und wieder. »Daddy hat dich sehr geliebt und dafür gesorgt, dass du bei mir und meiner Familie gut aufgehoben bist. Deshalb haben wir geheiratet.«
»Dich hat er auch gerngehabt.« Aurora wischte die Tränen mit dem Unterarm weg und fragte: »Bist du traurig, Grania? Dass er nicht mehr da ist?«
»Ja, sehr.«
»Hast du Daddy geliebt?«
»Ja, ich glaube schon. Schade, dass ich nicht viel Zeit mit ihm hatte.«
Aurora drückte Granias Hand. »Wir haben ihn beide geliebt. Und er wird uns beiden fehlen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Dann können wir uns gegenseitig trösten, wenn wir traurig sind.«
»Ja«, sagte Grania, »das können wir.«
»Wo ist Aurora?«, fragte Kathleen, als Grania die Küche betrat.
»Sie bringt Lily ins Bett und will dann mit Shane nach den Schafen sehen.«
»Ach. Du hast es ihr gesagt?«
»Ja.«
»Und, wie hat sie’s aufgenommen?«
Grania schüttelte verwirrt und erstaunt den Kopf. »Sie hat gesagt, sie hätte es schon gewusst.«
Aurora
Ja, ich wusste es tatsächlich.
Wenn ich behaupten würde, Stimmen hätten es mir eingeflüstert, entstünde völlig zu Recht der Eindruck, dass ich genauso psychisch labil bin wie meine arme Mutter Lily. Also nenne ich es einfach »Vorahnung«. So etwas haben viele Menschen.
Trotzdem war die Nachricht ein großer Schock für mich, gerade zu dem Zeitpunkt, als alles endlich so gut zu laufen schien. Grania verheiratet mit meinem Vater … genau das hatte ich mir gewünscht … und darauf hatte ich hingearbeitet.
Die Freude schlug von einer Sekunde zur nächsten in Kummer
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