Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
schlimmer: ihn zu heiraten. Hätte sie bei Matt Ja gesagt, wäre sie nun nicht in dieser Lage gewesen. Und zweifelsohne hätte der Beistand von Matts Eltern ihnen das Leben erleichtert.
»Vielleicht haben Sie recht«, gab Grania schließlich zu. »Aber ich kann nichts dagegen tun; ich bin nun mal so.«
»Es mag ein Teil Ihrer Persönlichkeit sein oder aber auch einem Gefühl der Unsicherheit entspringen. Sie sollten überlegen, warum Sie keine Unterstützung anderer zulassen. Möglicherweise glauben Sie in Ihrem tiefsten Innern, ihrer nicht würdig zu sein.«
»Ich weiß es nicht. In gewisser Hinsicht hat mein Stolz mir tatsächlich das Leben erschwert. Danke, Hans, für Ihre Offenheit. Sie haben mir sehr geholfen.«
Am folgenden Morgen, als ihre Familie wie an jedem Sonntag zur Kirche ging, blieb Grania mit Aurora zu Hause.
»Möchtest du mich später zum Friedhof von Dunworley begleiten? Onkel Hans hat aus der Schweiz einen Behälter mitgebracht, in dem sich etwas befindet, das man Daddys Zauberstaub nennen könnte.«
»Du meinst seine Asche?«, fragte Aurora und biss ein Stück Toast ab.
»Ja. Hilfst du mir, sie zu verstreuen?«
»Natürlich. Kann ich aussuchen, wo?«
»Ja, obwohl Daddy Mummys Grab vorgeschlagen hat.«
»Nein.« Aurora schüttelte den Kopf. »Da bringen wir ihn nicht hin.«
»Warum nicht?«
»Da liegen nur die Knochen von Mummy. Sie selber ist nicht dort.«
»Dann zeig mir, wo sie ist.«
Bei Einbruch der Dunkelheit verkündete Aurora, dass sie nun die Asche ihres Vaters verstreuen wolle.
Alexanders Urne in einer Tragetüte, folgte Grania Aurora den Klippenpfad in Richtung Dunworley House. Als sie den grasbewachsenen Felsen erreichten, blieb Aurora stehen.
»Setz dich da hin wie immer, Grania«, sagte Aurora und nahm die Urne aus der Tüte. Dann öffnete sie den Deckel und schaute hinein.
»Sieht aus wie grober Sand.«
»Ja.«
Aurora ging zum Klippenrand, wo sie sich umdrehte. »Grania, hilfst du mir?«
»Natürlich.« Grania trat zu ihr.
»Da ist Mummy runtergefallen. Manchmal sehe ich sie hier. Mummy!«, rief sie. »Ich gebe dir jetzt Daddy.« Aurora blickte, Tränen in den Augen, in die Urne. »Auf Wiedersehen, Daddy. Geh zu Mummy. Sie braucht dich.« Aurora streute die Asche über den Klippenrand, wo der Wind sie erfasste und aufs Meer hinauswehte. »Ich liebe dich, Daddy. Und dich auch, Mummy. Bis bald im Himmel.«
Grania kehrte zu dem Felsen zurück, damit Aurora ungestört war, und beobachtete, wie diese niederkniete.
Nach einer Weile erhob sie sich wieder und wandte sich Grania zu. »Das war’s. Jetzt sind sie bereit zu gehen.«
»Ja?«
»Ja.«
Aurora streckte die Hand aus, und Grania nahm sie.
Auf dem Weg zum Farmhaus drehte Aurora sich noch einmal um. »Schau!« Sie deutete zurück. »Siehst du sie?«
»Wen?«
» Schau doch … «
Grania zwang sich zurückzublicken.
»Sie fliegen«, erklärte Aurora. »Sie hat ihn abgeholt, und jetzt fliegen sie miteinander in den Himmel.«
Grania, die lediglich im Wind dahinjagende Wolken sah, schob Aurora sanft den Hügel hinunter, in eine neue Zukunft.
39
Matt betrachtete blinzelnd das schattenhafte Bild. Auf dem Monitor befand sich der lebende Beweis für die Nacht, an die er sich nicht erinnerte.
»Wollen Sie’s in 3D sehen?«, fragte die Ärztin.
»Gern«, antwortete Charley.
»Das ist der Kopf und das der Arm … wenn es aufhört, sich zu bewegen, erkennen Sie es besser …«
»Wow«, stieß Matt hervor. Auf dem Bildschirm war wirklich alles zu sehen, Vorder- und Rückseite, jede Einzelheit. So etwas bekam man nur in einer teuren Privatklinik. Im Vergleich dazu waren die Aufnahmen von Granias Baby, die man ihm im örtlichen Krankenhaus nicht weit vom Loft gezeigt hatte, wie ein Schwarzweißfilm aus den vierziger Jahren gewesen.
Charley nahm die Bilder entgegen und ergriff mit der anderen Hand die von Matt. »Wollen wir was essen? Ich hab plötzlich einen Mordshunger«, erklärte sie kichernd.
»Klar.«
Beim Lunch redete fast nur Charley. Das konnte Matt verstehen. Schließlich war es Charleys erstes Kind, und sie hatte das Recht, aufgeregt zu sein. Am folgenden Tag fand bei ihren Eltern ein Grillfest statt, um die Verbindung zwischen Charley und Matt sowie die Schwangerschaft bekanntzugeben. Matt seufzte. Sogar die Termine, die sie in der Klinik erhalten hatten, entsprachen genau dem Plan. Er musste endlich akzeptieren, dass er dieses Leben mit geschaffen hatte.
Als Charley von der Einladung am folgenden
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