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Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff

Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff

Titel: Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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erwidert, doch davon wollte Mary nichts wissen.
    Mary liebte diese neue, aufregende Welt. Die hellen Lichter und das Getümmel von London ließen fast vergessen, dass das Land sich im Krieg befand. Bis zu diesem Zeitpunkt war das britische Territorium verschont geblieben, und abgesehen davon, dass Frauen Straßenbahnen und Busse lenkten und hinter Ladentheken bedienten, wirkte die Stadt unverändert.
    Bis die Zeppeline kamen.
    Mary wurde wie alle anderen mitten in der Nacht von lauten Detonationen geweckt. Die Deutschen bombardierten das East End; dabei kamen zweihundert Menschen um. Plötzlich herrschte hektische Aktivität in London. Abwehrballons stiegen zum Himmel auf, die Konturen von Maschinengewehren zeichneten sich auf den hohen Gebäuden ab, und die Keller der Häuser wurden zu Luftschutzbunkern umfunktioniert.
    Im Sommer 1917 – Mary befand sich seit mehr als einem Jahr in London – erklangen die Sirenen regelmäßig. Die Bediensteten flüchteten sich in den Keller, wo sie bei Kerzenlicht trockene Kekse aßen und Karten spielten, während oben Abwehrfeuer ratterte. Mrs. Carruthers saß auf ihrem Holzstuhl, der eigens von der Küche nach unten gebracht worden war, und trank heimlich aus ihrer Schnapsflasche, um ihre Nerven zu beruhigen. Doch Mary fürchtete sich selbst in den schlimmsten Momenten, in denen einer der Zeppeline direkt über ihnen zu sein schien, nicht. Sie fühlte sich unbezwingbar, als könnten sie ihr nichts anhaben.
    Eines Morgens im Frühjahr 1918 erhielt Mary endlich einen Brief von Sean. Obwohl er ihre neue Adresse kannte, hatte sie bis dahin keine Antwort von ihm bekommen. Sie wusste nicht, wo er sich aufhielt und ob er überhaupt noch lebte. Jedes Mal, wenn Nancy und sie sich schick machten, um an ihrem freien Tag in die Stadt zu gehen und sich zu amüsieren, plagten sie Gewissensbisse.
    Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich kaum noch an Sean erinnern. Sie öffnete den Brief und las ihn.
    Frankreich
    17. März
    Liebe Mary,
    mir geht es gut, obwohl der Krieg nun schon ewig zu dauern scheint. Bald habe ich eine Woche Heimaturlaub. Aus Deinen Briefen weiß ich, dass Du in London arbeitest. Ich melde mich bei Dir, wenn ich dort bin.
    Mary, Liebes, wir müssen beide fest daran glauben, dass dieser Krieg bald vorbei ist und wir miteinander zu unserem Leben in Dunworley zurückkehren können.
    Du bist das Einzige, was mir über die Tage und Nächte hinweghilft.
    Alles Liebe,
    Sean
    Mary las den Brief fünfmal, bevor sie sich aufs Bett setzte und die weiße Wand anstarrte.
    »Was ist los?«, fragte Nancy.
    »Sean. Er kriegt bald Heimaturlaub und will mich besuchen.«
    »Gütiger Himmel!«, rief Nancy aus. »Dann gibt es ihn also wirklich.«
    »Ja.«
    »Wenn er schon drei Jahre an der Front ist, scheint er gegen die deutschen Kugeln gefeit zu sein. Die meisten Soldaten überstehen die ersten Wochen nicht. Du kannst dich glücklich schätzen, dass er noch am Leben ist. Gott allein weiß, wie viele tausend junge Männer wir in diesem Krieg verloren haben. Wir werden alle als alte Jungfern enden. Lass deinen Sean nicht mehr los, du Glückspilz!«, riet Nancy ihr.
    Ein paar Wochen später, Mary schürte gerade das Feuer im Kamin des Salons, streckte der Dienstbote Sam den Kopf zur Tür herein.
    »Draußen steht ein Ryan, der dich sehen möchte, Mary. Ich hab ihn nach hinten geschickt.«
    Mary bedankte sich. Mit zitternden Knien ging sie die Stufen hinunter, betend, dass niemand sich in der Küche aufhielt, so dass sie ein paar Minuten mit Sean allein sein könnte. Doch natürlich waren die anderen Bediensteten neugierig und hatten sich dort versammelt.
    Mary durchquerte die Küche, so schnell sie konnte, aber Nancy erreichte die hintere Tür vor ihr. Die Hände in die Hüften gestemmt, lächelte sie den ausgezehrten Soldaten auf der Schwelle an.
    »Das ist also Sean«, stellte sie fest. »Er scheint mit dir reden zu wollen.«
    »Ja«, sagte Mary.
    »Für einen Iren sieht er ziemlich gut aus«, flüsterte Nancy Mary zu, bevor sie sich entfernte.
    Zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren blickte Mary Sean in die Augen.
    »Mary, ich kann’s gar nicht glauben, dich leibhaftig zu sehen. Komm, umarm deinen Verlobten.« Sean traten Tränen in die Augen, als er die Arme ausbreitete.
    Er roch anders und doch wie immer. Sie spürte, wie dünn er geworden war.
    »Mary, du bist es wirklich, hier in London. Und ich halte dich in meinen Armen … Du ahnst nicht, wie oft ich davon geträumt habe. Lass dich

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