Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
ihrem schmalen Kinderbett aus auf den Wind, der um die Steinmauern des Farmhauses heulte, griff nach einem Papiertaschentuch und schnäuzte sich.
Das war ein Jahr zuvor gewesen. Leider hatte sich herausgestellt, dass das Projekt ihre Beziehung nicht zementierte, sondern zerstörte.
2
Als Grania am nächsten Morgen aufwachte, hatte sich der Sturm verzogen, und die Sonne, im Winter ein seltener Gast, erhellte die sich schier endlos erstreckenden grünen Felder mit den weißen, wolligen Schafen.
Grania wusste, dass dieses Wetter nicht lange anhalten würde; in West Cork ähnelte die Sonne einer launischen Diva.
Da Grania des unaufhörlichen Regens in den vergangenen zehn Tagen wegen nicht wie sonst hatte joggen können, sprang sie aus dem Bett und holte ihr Kapuzenshirt, die Leggings und die Laufschuhe aus dem Koffer.
»Du bist ziemlich früh auf heute Morgen«, bemerkte ihre Mutter, als Grania in die Küche kam. »Haferbrei?«
»Wenn ich zurück bin. Ich geh joggen.«
»Überanstreng dich nicht. Du siehst blass aus.«
»Ich hoffe, dass ich beim Laufen ein bisschen Farbe kriege, Mam.« Grania verkniff sich ein Lächeln. »Bis später.«
»Verkühl dich nicht, ja?«, rief Kathleen ihrer Tochter nach. Bei Granias Heimkehr war Kathleen schockiert gewesen. In den drei Jahren, die sie ihre hübsche, lebenslustige Tochter mit der rosigen Haut, den blonden Locken und den türkisblauen Augen nicht zu Gesicht bekommen hatte, schien sie ihre Vitalität verloren zu haben. Zu ihrem Mann John hatte Kathleen gesagt, Grania erinnere sie an ein leuchtend rosafarbenes Hemd, das in der dunklen Wäsche gelandet und grau eingefärbt worden war.
Kathleen kannte den Grund, weil Grania ihr alles am Telefon erzählt und sie gefragt hatte, ob sie eine Weile nach Hause kommen könne. Natürlich hatte Kathleen Ja gesagt, da sie sich über diese unerwartete Gelegenheit, Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen, freute. Allerdings begriff sie Granias Motive nicht – ihrer Ansicht nach war dies eine Zeit, in der sie und ihr Partner einander im Kummer beistehen sollten.
Matt rief jeden Abend an, doch Grania weigerte sich beharrlich, mit ihm zu sprechen. Kathleen hatte immer eine Schwäche für ihn gehabt. Mit seinem guten Aussehen, dem leichten Connecticut-Akzent und den untadeligen Manieren erinnerte er sie an die Filmstars ihrer Mädchenzeit. Sie verglich Matt gern mit dem jungen Robert Redford. Warum Grania ihn nicht längst geheiratet hatte, war ihr ein Rätsel. Und nun stand ihre störrische Tochter kurz davor, ihn zu verlieren.
Viel wusste Kathleen nicht über die Welt, aber mit dem männlichen Ego kannte sie sich aus. Männer waren anders gestrickt als Frauen – sie besaßen nicht deren Fähigkeit, Zurückweisungen hinzunehmen –, weswegen Matt mit Sicherheit über kurz oder lang aufhören würde, jeden Abend anzurufen.
Seufzend räumte sie die Frühstücksteller weg und stellte sie in die Spüle. Grania war die einzige Ryan, die sich in die weite Welt hinausgewagt und ihre Familie, besonders ihre Mutter, stolz gemacht hatte. Das Kind, nach dem die Verwandten sich, fasziniert von den Zeitungsausschnitten anlässlich ihrer Ausstellungen in New York, erkundigten …
Es in Amerika zu schaffen war nach wie vor der irische Traum.
Kathleen trocknete Geschirr und Besteck ab und verstaute alles in der Anrichte. Natürlich hatte niemand das perfekte Leben, das wusste Kathleen. Sie war immer davon ausgegangen, dass Grania sich nicht nach dem Getrippel kleiner Füße im Haus sehnte, und hatte das akzeptiert. Hatte sie nicht einen wohlgeratenen, kräftigen Sohn, der ihr eines Tages Enkel schenken würde? Doch offenbar hatte Kathleen sich getäuscht. Grania führte zwar ein interessantes Leben dort, wo sich für Kathleen der Nabel der Welt befand, aber die Kinder fehlten. Bis sie kamen, würde ihre Tochter nicht glücklich werden.
Kathleen glaubte, dass Grania sich das selbst zuzuschreiben hatte. Ihrer Meinung nach war trotz all der Hightechmedizin Jugend der wichtigste Faktor. Sie selbst hatte Grania mit neunzehn zur Welt gebracht und die Energie besessen, in den folgenden beiden Jahren mit einem weiteren Baby fertig zu werden. Grania war bereits einunddreißig. Egal, was diese modernen Karrierefrauen dachten: Man konnte nicht alles haben.
Obwohl sie Mitleid mit ihrer Tochter hatte, neigte sie selbst eher dazu, mit dem zufrieden zu sein, was sie hatte, und sich nicht nach dem zu sehnen, was sie nicht bekommen konnte.
Grania sank auf
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