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Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff

Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff

Titel: Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Geschichte; möglicherweise wird es spät.«
    »Macht nichts, Mam, wir haben keine Eile«, ermutigte Grania sie. »Ich bin ganz Ohr.«
    »Gut.« Kathleen schluckte. »Ich habe sie noch niemandem geschildert. Könnte sein, dass ich weinen muss. Dieser Teil beginnt, als ich sechzehn war und Lily Lisle fünfzehn.«
    »Wart ihr befreundet?«, fragte Grania überrascht.
    »Ja. Lily hat so viel Zeit bei uns im Farmhaus verbracht, dass sie für mich so etwas wie eine kleine Schwester war. Und mein großer Bruder …«
    »Dein Bruder ?« Grania sah ihre Mutter erstaunt an. »Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast, Mam. Du hast ihn nie erwähnt.«
    »Nein …« Kathleen schüttelte den Kopf. »Wo soll ich anfangen …?«

30
    Dunworley, West Cork, Irland, 1970
    Die sechzehnjährige Kathleen sprang aus dem Bett und zog die Vorhänge zurück, um zu sehen, wie das Wetter war. Wenn die Sonne schien, wollten sie, Joe und Lily ein Picknick am Strand von Dunworley machen; wenn es regnete – in dieser Gegend keine Seltenheit, auch im Sommer –, würden sie einen weiteren langweiligen Tag mit Karten- und Brettspielen im Haus verbringen. Lily würde sich ein Stück ausdenken, in dem sie die Hauptrolle spielte, denn sie tat nichts lieber, als sich mit den abgelegten Abendkleidern ihrer Mutter herauszuputzen.
    »Wenn ich erwachsen bin, werde ich so schön sein, dass ein gut aussehender Prinz mich entführt«, sagte sie gern, wenn sie vor dem Spiegel posierte.
    Und Lily würde schön werden, denn schon mit fünfzehn Jahren zog sie die Blicke aller auf sich. »Die Jungs rennen ihr bald die Tür ein, so viel steht fest«, hatte Kathleens Mutter einmal zu ihrem Mann Seamus gesagt.
    Kathleen betrachtete ihren eigenen stämmigen Körper im Spiegel, ihre mausbraunen Haare und das blasse Gesicht mit den Sommersprossen auf der Nase.
    »Die Männer interessiert nicht nur Schönheit, Liebes. Sie werden dich deiner anderen Qualitäten wegen lieben«, hatte ihre Mutter sie getröstet. Kathleen wusste nicht so genau, was das für »andere Qualitäten« waren, aber letztlich machte es ihr nichts aus, dass sie unscheinbar war und Lily immerzu im Mittelpunkt stehen wollte.
    Oder dass Kathleens Bruder Joe Lily vergötterte. Kathleen würde sich nie mit Lily, ihrer glamourösen Mutter oder ihrem reichen Vater in Dunworley House messen können.
    Sie beneidete sie nicht. Nein, sie tat ihr eher leid. Tante Anna, Lilys Mutter, eine berühmte Ballerina, war kaum je zu Hause. Sebastian Lisle, ihr Vater, war ziemlich alt und hielt Abstand zu seiner Tochter, die ihn nur selten zu Gesicht bekam. Ihre Erziehung übernahmen Hauslehrerinnen, denen sie aus dem Weg zu gehen versuchte, was ihr meist gelang.
    Als Kathleen sich anzog, um die Eier einzusammeln und den Eimer mit der frischen Milch aus dem Kuhstall zu holen, dachte sie an Lily, die wahrscheinlich noch in ihrem hübschen Zimmer in Dunworley House schlief. Lily hatte keinerlei Pflichten. Ein Dienstmädchen machte ihr Frühstück, Mittag- und Abendessen, wusch ihre Kleidung und besorgte ihr alles, was sie brauchte. Manchmal, wenn Kathleen morgens in der Kälte hinausmusste, beklagte sie sich bei ihrer Mutter darüber.
    »Dafür hast du das, was Lily fehlt, Kathleen, eine Familie«, antwortete ihre Mutter dann.
    Kathleens Ansicht nach hatte sie die schon, denn Lily lebte praktisch bei ihnen. Aber auch auf der Farm musste sie nie einen Finger rühren.
    Trotz Lilys privilegierter Stellung und manchmal irritierender Allüren meinte Kathleen, sie beschützen zu müssen. Obwohl Lily lediglich achtzehn Monate jünger war als sie selbst, hatte sie etwas Kindliches, Verletzliches, das Kathleens Mutterinstinkt weckte. Außerdem schien sie kein bisschen gesunden Menschenverstand zu besitzen. Lily schlug gern abenteuerliche Unternehmungen vor – gefährliche Felsen hinunterklettern, mitten in der Nacht aus dem Haus schleichen und im Meer schwimmen – und kannte keine Angst. Oft gingen solche Ausflüge schief, und Kathleen rettete Lily nicht nur aus misslichen Lagen, sondern nahm die Strafe ihrer Eltern auf sich, als wäre alles ihre Idee gewesen.
    Und Joe wäre Lily ans Ende der Welt gefolgt, wenn sie das von ihm verlangt hätte.
    Auch ihren großen, sanften Bruder beschützte Kathleen. Drei Jahre zuvor hatte Kathleen ihn auf dem Feldweg gefunden, wo die Jungen aus dem Ort ihn nach der Kastanienernte als Zielscheibe benutzt hatten.
    »Sie haben ihn beschimpft, Mam, schrecklich beschimpft, ihn den Dorftrottel

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