Das Mädchen auf den Klippen - Riley, L: Mädchen auf den Klippen - Girl on the Cliff
mir.«
»Und wohin?« Da sie über einen Monat lang nichts von ihm gehört hatte, wusste sie nicht, wo er sich aufhielt.
»Ich bin in der Schweiz.«
»Verstehe. Nun, wenn es so dringend ist …«
»Ja. Entschuldige, dass ich dich um diese Reise bitte, aber mir bleibt keine andere Wahl.«
»Gut. Heute ist Mittwoch … Dieses Wochenende werden die Schafe geschoren; wie wär’s mit nächstem Dienstag?«
»Grania, du musst morgen los.«
»Morgen?«
»Ja. Der Flug ist bereits gebucht. Du fliegst um Viertel vor drei von Cork ab, landest um vier in London und nimmst von dort aus um sechs den British-Airways-Flug nach Genf. Mein Chauffeur holt dich vom Flughafen ab.«
»Aha. Soll ich Aurora mitbringen?«
»Nein. Und bitte nimm deine Geburtsurkunde mit. Die Beamten der Schweizer Passkontrolle können sehr penibel sein.«
»In Ordnung.«
»Bis morgen Abend dann. Und, Grania?«
»Ja?«
»Danke.«
Grania beendete das Gespräch und setzte sich an den Küchentisch. Wie hätte Alexander wohl auf eine Weigerung reagiert? Offenbar hatte er fest mit ihrem Einverständnis gerechnet.
»Worüber grübelst du nach, Grania?«, riss die Stimme ihrer Mutter sie aus ihren Gedanken.
»Alexander hat gerade angerufen. Ich soll morgen zu ihm in die Schweiz fliegen. Er hat den Flug schon gebucht.«
»Ach.« Kathleen, die an der Tür stand, verschränkte die Arme. »Und, machst du das?«
»Ich scheine keine andere Wahl zu haben.«
»Du kannst Nein sagen.«
»Ja, aber er hört sich nicht gut an. Irgendetwas stimmt nicht.«
»Wenn er ein Problem hat, sollte er herkommen, um es dir zu erklären, und nicht dich um die halbe Welt scheuchen.«
»Es geht offenbar nicht anders. Er hat mich gebeten, meine Geburtsurkunde mitzunehmen, angeblich, weil die Schweizer Behörden es sehr genau nehmen. Kannst du sie bitte für mich raussuchen, Mam?«
»Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
»Ich auch nicht«, pflichtete Grania ihr bei. »Trotzdem muss ich hinfahren und mir anhören, was er will.«
»Grania …« Kathleen trat zu ihr. »Ich will mich wirklich nicht einmischen, aber ist da was zwischen dir und Alexander?«
»Das weiß ich nicht so genau.«
»Hat er …« Kathleen räusperte sich. »Als du oben in Dunworley House warst …?«
»Er hat mich geküsst«, gestand sie. »Ich muss zugeben, dass ich etwas für ihn empfinde. Andererseits …«, Grania schüttelte den Kopf, »… hat er gesagt, dass er sich nicht weiter vorwagen kann.«
»Hat er dir verraten, warum?«
»Nein. Vielleicht liebt er Lily nach wie vor, oder es gibt eine andere Frau in seinem Leben … Wer weiß?« Grania seufzte.
»Ich habe ihn beobachtet in der Nacht, in der Aurora verschwunden ist. Und er hat dich beobachtet. Ob sein liebevoller Blick damit zu tun hatte, dass du dich um seine Tochter kümmerst, oder ob es mehr ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls bedeutest du ihm etwas, Grania. Fragt sich nur: Geht es dir mit ihm genauso?«
»Ja, Mam. Doch wohin das führen wird, weiß ich nicht. Außerdem …«
»Ja?«
»… bin ich noch nicht über Matt hinweg«, gab Grania zu.
»Das ist mir klar. Möglicherweise wirst du das nie sein. Obwohl du immer wieder betont hast, dass er der Vergangenheit angehört. Bitte stürz dich nicht übereilt in irgendeine Geschichte, ja?«
»Nein.« Grania stand auf. »Ich geh jetzt besser schlafen. Morgen wird ein anstrengender Tag.« Sie umarmte ihre Mutter. »Danke, Mam. Wie du so gern sagst: Irgendwann löst sich jedes Problem.«
»Wollen wir’s hoffen. Gute Nacht.«
Kathleen sah ihrer Tochter nach, wie sie die Küche verließ, und stellte Milch auf den Herd.
»Diese Familie«, murmelte sie, während sie ihre Strickjacke enger um den Leib zog und auf und ab ging, bis die Milch für den Kakao heiß war. Dann setzte sie sich mit einer Tasse an den Tisch.
Als sie den Kakao getrunken hatte, seufzte sie tief. »Na schön«, meinte sie mit einem Blick gen Himmel, erhob sich, ging mit schweren Schritten die Treppe hinauf und klopfte an der Tür zu Granias Zimmer. »Ich bin’s, Mam«, flüsterte sie. »Darf ich reinkommen?«
»Natürlich«, antwortete Grania, die im Schneidersitz auf dem Bett saß, den halb gepackten Koffer vor sich. »Ich bin auch noch nicht müde.«
Kathleen setzte sich zu ihr aufs Bett. »Eine Stimme in meinem Innern sagt mir, dass ich dir den Rest von Lilys Geschichte erzählen muss, bevor du abreist.« Kathleen ergriff die Hand ihrer Tochter und drückte sie. »Es ist eine ziemlich lange
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