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Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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und Recht und Ordnung sind beim Teufel.«
    Magda verstand von alledem wenig, aber eines wusste sie: So hart und kalt der grausame Tod des Vaters ihr eigenes Leben auch treffen mochte, verwunderlich war er nicht. Ihr Traum war keine Prophezeiung, sondern nur ein Zufall, wie es Hunderte gab.
    Der Großvater trauerte mehr dem Fuhrwerk nach als dem Schwiegersohn. »Du brich dir nicht dein Herzchen«, sagte er zu Magda. »Ein Vater, wie ein Vater sein soll, war der ja für euch beileibe nicht, nicht.«
    Es war Diether, der jüngste unter Magdas drei Brüdern, der den Vater in seinem Blut gefunden hatte. Seither schien er nicht mehr er selbst, und er war es auch, der jetzt Trost und Beistand brauchte. Magda hingegen hatte auf ihren zwei Füßen schon immer fest auf dem Boden gestanden, verwurzelt wie ein Holunderstrauch in roter Brandenburger Erde. Wenn überhaupt etwas an dem Traum sie verstörte, dann war es eine Einzelheit, die sie Barbara verschwiegen hatte:
    Sie hatte im Schlaf ihre Mutter gesehen, obwohl sie die gar nicht kannte, weil sie an den Strapazen von Magdas Geburt gestorben war. Sie, die unbekannte Mutter, hatte im Traum den Vater in ihre Kammer geschoben. Ihr Gesicht war ein weißer Flecken ohne Züge und Konturen, und sie hatte kein Wort gesprochen. Woran Magda erkannt hatte, dass die Frau ihre Mutter war, wusste sie nicht. Mit der Zeit verdrängte das Leben den Tod, und sie dachte nicht länger an den Traum.
    Zwei Jahre verstrichen, ohne dass Magda noch einmal von einem Menschen träumte, der sich des Nachts, an der Hand ihrer Mutter, in ihre Kammer schlich. Dann aber träumte sie in einer Frühsommernacht von Barbara. Die Tür des winzigen Raumes, den sie mit niemandem teilte, weil es in der Familie keine weitere Tochter gab, schob sich mit einem Knarren auf, und der weiße Flecken zeigte sich, das Gesicht der nie gekannten Mutter. Aus der Nachthaube quoll dichtes, unbändiges Haar wie bei Magda, nur dass es bei der Mutter in einem zarten Blondton schimmerte, während ihr eigenes struppig und rotbraun wie Rosshaar war.
    Sogleich zog die Mutter sich zurück und schob Barbara ins Zimmer, die Großtante, die sich um die vier Halbwaisen gekümmert, Honigkuchen und Maulschellen verteilt, Rotz, Blut und Tränen abgewischt hatte, seit Magda auf der Welt war. »Ich möcht Lebewohl sagen«, sagte Barbara, die sonst nie so förmlich sprach, und dann nickte sie ein wenig mit dem Kopf, wie um sich zu verneigen, trat zurück und verschwand in der Dunkelheit.
    Von diesem Traum erzählte Magda am Morgen den anderen kein Wort. Es war ein fröhlicher Morgen, an dem der Stadtknecht mit gewichtigen Schritten durch die Gassen stolzierte, die weithin hallende Bürgerglocke schwang und aus der Tiefe seiner Kehle brüllte: »Bürger von Bernau, Bürger von Bernau! Morgen ist Brautag, von Stund an wird nicht mehr in die Panke gepinkelt, und wer’s trotzdem tut, der ist nicht besser als ein Schwein und entgeht seiner Strafe nicht!«
    Lentz, Magdas ältester Bruder, und Diether stießen einander die Ellbogen in die Seiten und tauschten ein Grinsen. Brautage waren immer heitere Tage, auch wenn die Männer schwitzten und ächzten, während sie die schweren Fässer mit dem sprudelnden Pankewasser füllten und auf ihre Karren luden. Vom Fluss hinauf bis in jeden Winkel der Gassen tönte das röhrende Gelächter der Brauer. Dabei war Lentz sonst ein gemächlicher Bürger, aber an Brautagen fiel alle Zurückhaltung von ihm ab, und er gebärdete sich rau und ausgelassen wie seine Gefährten. Selbst Utz, der Zweitälteste, der Wert auf gesittetes, städtisches Betragen legte, ließ sich ein wenig gehen. Vermutlich war es die Erleichterung darüber, dass das Brauen wiederum gestattet worden war, die diese Ausgelassenheit in den Brüdern entfesselte. Dazu kam der sonderbare Zauber, der seine Wirkung nur entfaltet, wenn Männer ohne Frauen unter sich sind.
    Auch Endres, der Lehrling, ging mit ihnen. Lentz und Utz gegenüber legte er jedoch dieselbe Scheu an den Tag wie sonst, und laut gelacht hätte er nie. Sein Leben hatte ihn still gemacht. Magda sandte ihm ein rasches Lächeln, als er seinen Napf beiseiteschob und sein Bündel vom Tisch hob, um mit ihren Brüdern die Fässer aufzuladen. Sie war inzwischen fünfzehn, in einem Alter, in dem die meisten Mädchen jemandem versprochen waren, und dass sie Endres versprochen war, schien ihr so sicher wie das Wort der Bibel, das Propst Nikolaus mit sich überschlagender Stimme in der

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