Das Mädchen aus Bernau: Historischer Roman (German Edition)
Propst Nikolaus wie gewöhnlich darüber, dass der Kirchenzehnt, den die Bernauer entrichteten, beileibe nicht genüge, um ihre Schuld vor Gott zu begleichen, und dass Spenden in Fülle vonnöten seien, wenn sie der Strafe, die sie ereilt hatte, entgehen wollten. »Zur Hölle fahrt ihr, ihr verblendeten Sünder!«, schrie und geiferte er, bis seine Stimme sich überschlug. Der größte der Sünder, ja geradezu der Satan in Menschengestalt, war in seinen Augen König Ludwig, der sich Papst Johannes widersetzte und mit Krieg und Not überrollt werden würde, um für seine Taten zu büßen. »Und ihr alle, die ihr es mit ihm haltet, büßt mit ihm!«, keifte er und wies mit dem Finger bald auf diesen, bald auf jenen, als wisse er von jedem, ob er es mit dem König oder dem Papst hielt.
Diether amüsierte sich köstlich und ahmte mit allerlei Faxen das tiefrote, verzerrte Gesicht des Gottesmannes nach. Utz’ Gesicht hingegen wurde mit jedem Wort düsterer und verschlossener, und der Großvater rief plötzlich, mitten ins Wutgebrüll des Propstes hinein: »Mir reicht’s! Die Familie Harzer lässt sich diesen Kohl nicht länger bieten, bieten!« Damit packte er Magda beim Arm und zog sie mit sich aus der Kirche. Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass Lentz, Utz und Diether folgten.
Eine Hand voll weiterer Handwerksmeister schloss sich an, doch die meisten wagten nicht, gegen den mächtigen Propst aufzubegehren, denn der verkündete schließlich Gottes Gesetz. Den Großvater aber scherte das nicht, er machte die Dinge mit Gott allein aus und hatte das immer getan. »Die verdammten Kuttenträger ziehen uns das letzte Hemd vom Buckel«, wetterte er, von den Übrigen umringt. »Und wofür? Damit dieser Papst in seinem Avignon Geld hat, um sich mit dem König, der kein Kaiser ist, zu zanken. Und den König, der in Bayern sitzt, kratzt auch nichts anderes als der verdammte Zank. Das Brauen verbietet er uns, wohl damit wir dem Papst nichts mehr in den Beutel werfen können. Beim heiligen Florian, was aus uns noch werden soll, wo kein Waldemar mehr über uns die Hand hält, das weiß der Himmel oder weiß es nicht, nicht, nicht.«
Der heilige Florian war der Schutzherr der Bierbrauer, und den rief der Großvater nur an, wenn er es lichterloh um sich brennen sah. Vor dem Abendessen ging Magda mit Endres zur Allmende, um die Ziegen einzufangen, und fragte ihn, ob der Großvater Recht hatte.
»Er dürfte schon Recht haben«, antwortete Endres in seiner stillen, besonnenen Art. »Papst Johannes bedroht König Ludwig mit dem Kirchenbann und versucht, die Polen und Litauer in einen Krieg gegen die Mark zu hetzen. Er braucht Geld in Hülle und Fülle, und König Ludwig hat wahrlich andere Sorgen als ein paar Brauer am östlichsten Rand seines Reiches. Für den Markgrafen Waldemar sah das seinerzeit anders aus, der hätte auf seinen Bierpfennig nur ungern verzichtet. Aber das heißt ja nicht, dass König Ludwig falsch handelt.«
»Der Papst erkennt König Ludwig nicht an, nicht wahr? Und er wird niemals gestatten, dass er sich zur königlichen noch die kaiserliche Krone aufsetzt?« Dieser Streit zwischen König und Papst währte schon ewig und erschien Magda als ein heilloser Wirrwarr, der aus unerfindlichen Gründen Einfluss auf ihr Leben nehmen durfte. Warum herrschte überhaupt ein Mann über die Mark Brandenburg, der diese nie betreten hatte? Was konnte einer, der hier nicht lebte, von der harten, roten Erde wissen, die den Menschen das Äußerste abverlangte, von den weiten Sümpfen, die Schafe und Kinder verschlangen, und von den schwarzen Wäldern, in denen kein König, sondern Riesen und Bären regierten?
»Nein, das gestattet er nicht«, stimmte Endres ihr zu. »Und ob das Recht bei ihm oder beim König liegt, vermag ein kleiner Lehrling wie ich nicht zu entscheiden. Was aber das Brauverbot angeht, hat König Ludwig, wenn du mich fragst, richtig gehandelt. In den Scheuern ist kaum genug Getreide, um die Menschen in der Stadt satt zu kriegen, also ist erst recht keines da, um es zu mälzen. Oder möchtest du etwa, dass unsertwegen jemand hungert?«
»Natürlich nicht. Aber werden denn nicht wir hungern, Endres?«
Der Freund schüttelte den Kopf. »Wir werden unsere Gürtel ein wenig enger schnallen müssen, aber das Bier, das wir eingelagert haben, können wir umso teurer verkaufen. Schon heute sind auf dem Markt die Preise in die Höhe geschnellt. Zusammen mit dem, was dein Großvater für Notzeiten erspart hat,
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