Das Mädchen aus dem All
Berghang weggerissen war. Das Observatorium selbst war verschont geblieben. Die Furche erstreckte sich bis zur Südostwand und verlief durch die zerstörte Verteilergalerie für die Gedächtnismaschinen bis hin zur Kuppel der unterirdischen Kammer, die von einer vier Meter dicken Basaltschicht bedeckt war. Der Basalt war wie von einer riesigen Maschine abgeschliffen. Ein Teil der Schicht hatte jedoch standgehalten und so Mwen Mass und den unterirdischen Raum vor der völligen Vernichtung bewahrt.
Ein Rinnsal flüssigen Silbers glitzerte in einer Bodenvertiefung — die geschmolzenen Armaturen der Energieaufnahmestation.
Bald waren die Kabel der Notbeleuchtung wieder instand gesetzt. Im Licht des Scheinwerfers auf dem Leuchtturm der Anfahrtstraße bot sich den Menschen ein erschütterndes Bild: Das Metall der technischen Anlagen bedeckte in einer dünnen Schicht die breite Furche, so daß sie wie verchromt glänzte. Dort, wo einst der Berghang gewesen war, ragte ein Stück der Bronzespirale aus dem Felsen. Das Gestein war glasig zerlaufen, wie Lack unter einem heißen Siegel. Die darin versunkenen roten Metallwindungen mit den weißen Zacken der Rheniumkontakte funkelten im elektrischen Licht wie eine Blume aus Emaille. Ein Blick auf diese Juwelierarbeit von 200 Meter Durchmesser ließ Furcht aufkommen vor der unbekannten Gewalt, die hier gehaust hatte.
Als der von Trümmern verschüttete Eingang zu der unterirdischen Kammer freigelegt war, fanden sie Mwen Mass kniend, den Kopf auf das kalte Gestein der unteren Treppenstufe gelegt. Offensichtlich hatte der Leiter der Außenstationen in einem Augenblick klaren Bewußtseins versucht, sich herauszuarbeiten. Unter den Freiwilligen fanden sich schnell einige Ärzte. Der kräftige Organismus Mwen Mass’ überwand bald mit Hilfe starker Arzneien die Folgen der Verschüttung. Schwerfällig erhob er sich, von beiden Seiten gestützt.
»Was ist mit Ren Boos?«
Die Gesichter der Umstehenden verfinsterten sich. Der Leiter des Observatoriums antwortete heiser: »Ren Boos ist grausam verstümmelt. Er wird nicht mehr lange leben.«
»Wo ist er?«
»Man hat ihn am Osthang gefunden. Er muß aus dem Versuchsraum herausgeschleudert worden sein. Auf dem Gipfel des Berges existiert nichts mehr. Selbst die Trümmer sind restlos weggefegt.«
»Und Ren Boos liegt noch dort?«
»Er ist nicht transportfähig. Die Knochen sind zerschlagen, die Rippen gebrochen . . .«
»Noch mehr?«
». . . und sein Leib ist aufgerissen.«
Mwen Mass’ Beine versagten; krampfhaft klammerte er sich an die beiden, die ihn führten. Doch Wille und Verstand waren völlig intakt.
»Ren Boos muß um jeden Preis gerettet werden! Er ist ein hervorragender Wissenschaftler.«
»Das wissen wir. Fünf Ärzte mühen sich bereits um ihn. Man hat über ihm ein steriles Operationszelt errichtet. Zwei freiwillige Blutspender liegen neben ihm. Das künstliche Herz und die künstliche Leber arbeiten bereits.«
»Führen Sie mich zur Fernzentrale. Jemand soll mich mit dem Weltnetz verbinden und das Informationszentrum des Nordgürtels rufen. Was ist mit dem Satelliten 57?«
»Wir haben ihn gerufen. Er schweigt.«
»Suchen Sie den Satelliten mit dem Teleskop und beobachten Sie ihn unter starker Vergrößerung im Elektroneninvertor.«
»Die Maschinen sind stark beschädigt, auch der Indikator arbeitet nicht mehr.«
»Alles zum Teufel«, flüsterte Mwen Mass, und sein Kopf sank auf die Brust.
Der Diensthabende des nördlichen Informationszentrums sah auf dem Bildschirm ein von Staub und Blut verschmiertes Gesicht mit fieberglänzenden Augen. Er begriff nicht gleich, daß er den Leiter der Außenstationen — eine bekannte Persönlichkeit auf dem Planeten — vor sich hatte.
»Ich brauche den Vorsitzenden des Rates für Astronautik, Grom Orm, und die Nervenärztin Ewda Nal.«
Der Diensthabende nickte und machte sich an der Gedächtnismaschine zu schaffen. Eine Minute später war die Antwort da.
»Grom Orm bereitet Materialien vor und ist deshalb ins Wohnheim des Rates gezogen. Soll ich den Rat rufen?«
»Ja. Und Ewda Nal?«
»Die befindet sich zur Zeit in Irland, in der 410. Schule. Wenn es dringend ist, versuche ich, sie . . .« — der Diensthabende schaute auf ein Schaltschema — ». . . zur Sprechstelle 5664 SP holen zu lassen.«
»Es ist sehr dringend! Es geht um Leben und Tod!«
Der Diensthabende blickte ruckartig von seinem Schema auf.
»Ist ein Unglück geschehen?«
»Ein großes
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