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Das Mädchen aus dem All

Das Mädchen aus dem All

Titel: Das Mädchen aus dem All Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Jefremow
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aber gibt Ihnen hier das Recht?«
    »Ich allein, ich nehme es mir!« zischte Bet Lon verächtlich. »Mein Leben lang habe ich genügend Rücksicht auf andere, auf das allgemeine Wohl genommen. Jetzt habe ich begriffen, daß der Mensch das nicht braucht.«
    »Sie haben nie an andere gedacht, Bet Lon«, fiel ihm der Afrikaner ins Wort. »In allem haben Sie sich nachgegeben, bis Sie zu dem wurden, was Sie heute sind, ein Gewaltmensch, ja fast ein Tier!«
    Es schien, als wollte sich der Mathematiker auf Mwen Mass stürzen, doch er beherrschte sich.
    »Genug jetzt, Sie reden mir zuviel!«
    »Ich sehe, daß Sie viel verloren haben, und will . . .«
    »Aber ich will nicht! Gehen Sie mir aus dem Weg!«
    Mwen Mass rührte sich nicht. Drohend stand er vor Bet Lon. Zitternd drängte sich das Mädchen an ihn. Und dieses Zittern erbitterte ihn weit mehr als Bet Lons Fausthiebe.
    Unbeweglich sah der Mathematiker in die zornfunkelnden Augen des Afrikaners.
    »Gehen Sie!« sagte er und gab den Weg frei.
    Mwen Mass nahm Onar an die Hand und führte sie zwischen den Sträuchern hindurch. Er fühlte Bet Lons haßerfüllten Blick. An der Wegbiegung blieb er so ruckartig stehen, daß Onar gegen ihn prallte.
    »Bet Lon, lassen Sie uns gemeinsam in die Große Welt zurückkehren!«
    Der Mathematiker lachte höhnisch, doch Mwen Mass’ feines Ohr vernahm die Bitterkeit in diesem Lachen.
    »Wer sind Sie, daß Sie mir so etwas vorschlagen? Wissen Sie, was Sie sind?«
    »Ich habe ebenfalls einen verbotenen Versuch durchgeführt und Menschen, die mir anvertraut waren, umgebracht. In der Forschung bin ich ähnliche Wege gegangen wie Sie. Sie, ich und die anderen sind dem Sieg bereits nahe! Die Menschen brauchen Sie!«
    Den Blick zu Boden gerichtet, ging der Mathematiker auf Mwen Mass zu, doch plötzlich drehte er sich um und entfernte sich, unflätig schimpfend. Mwen Mass und das Mädchen gingen wortlos weiter.
    Bis zur fünften Siedlung waren es noch ungefähr zehn Kilometer. Als der Afrikaner hörte, das Mädchen lebe allein, riet er ihr, in eine der Ufersiedlungen an der Ostküste umzuziehen, damit sie dem grausamen, groben Mann nicht mehr begegne. Der einst bekannte Gelehrte war zum Schrecken der abgeschiedenen kleinen Bergsiedlung geworden. Um weiteren Zwischenfällen vorzubeugen,wollte Mwen Mass sofort in die Siedlung gehen und bitten, diesen Mann zu beobachten. Kurz vor der Siedlung verabschiedete sich Mwen Mass von Onar. Das Mädchen warnte ihren Begleiter; unlängst seien in den Wäldern des kuppelförmigen Berges Tiger aufgetaucht. Man wisse nicht, ob sie aus dem Naturschutzgebiet ausgebrochen seien oder sich bis jetzt in dem undurchdringlichen Dickicht versteckt gehalten hätten. Sie bat ihn, vorsichtig zu sein und unter keinen Umständen nachts über den Berg zurückzugeben. Zum Abschied drückte sie ihm herzlich die Hand. Mwen Mass trat den Rückweg an.
    Hinter der Bergkuppe färbte die untergehende Sonne den Wolkenschleier rosa. Von des Tages Hitze erschöpft, badete Mwen Mass in dem klaren Wasser eines Gebirgsflüßchens.
    Dann setzte er sich auf einen flachen Stein am Rande des Baches, um sich trocknen zu lassen und sich ein wenig auszuruhen. Vor Einbruch der Dunkelheit würde er die Stadt nicht mehr erreichen, und so beschloß er, bei Mondaufgang den kürzeren Weg über den Berg zu nehmen. Nachdenklich starrte er in das quirlende Wasser. Plötzlich war ihm, als beobachte ihn jemand, doch er konnte keinen Menschen weit und breit entdecken. Das unheimliche Gefühl, von einem Unsichtbaren mit Blicken verfolgt zu werden, verließ ihn auch nicht, als er den Aufstieg begann.
    Der Weg zu dem tausendachthundert Meter hohen Plateau führte durch dichten Wald und war von Fuhrwerken festgefahren. Die schmale Sichel des zunehmenden Mondes würde den Weg höchstens anderthalb Stunden erhellen. In der Finsternis war der steil ansteigende Weg nur schwer zu bewältigen. Mwen Mass schritt schneller aus. Die vereinzelten niedrigen Bäume warfen Schatten, die wie schwarze Streifen auf dem mondhellen, trockenen Waldboden lagen. Der Afrikaner mußte sich ganz auf den Weg konzentrieren, um nicht über die zahllosen Wurzeln zu stolpern.
    Plötzlich hörte er ein drohendes Knurren. Es schien von rechts, aus dem tiefen Dunkel des Waldes zu kommen.
    Ein furchteinflößendes Brüllen gab Antwort von der anderen Seite. Diese urgewaltigen Laute gingen durch Mark und Bein und riefen das längst vergessene Gefühl der Angst wieder wach, das Opfer eines

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