Das Mädchen aus dem Meer: Roman
Sterben zu üben und hättest kehrtgemacht, sodass dir mein endloses Gequatsche erspart geblieben wäre.«
»Jetzt ist es ja zu Ende«, winkte Froh ab. »Und weißt du was? Ich glaube, du hattest doch eine Botschaft für mich.«
Chita runzelte die Stirn. »Ach ja?«, wunderte sie sich. »Und was für eine Botschaft soll das sein?«
»Ich muss unbedingt richtig zählen lernen«, antwortete Froh und zauberte ihr damit ein Lächeln ins Gesicht. Ein trauriges zwar, aber dennoch eines voller Herzlichkeit und Wärme. Das war es, was er hatte sehen wollen. So konnte er sie lieben. Wenngleich niemals so sehr wie Niedlich.
»Die Liebe kann Wunder vollbringen«, flüsterte er nach einer Weile und ließ sich wieder in die Kissen sinken. »Sie hat meine Seele nach Hause gebracht und mich sehen lassen, dass Niedlich lebt. Bestimmt wird sie auch für dich noch ein Wunder vollbringen.«
»Ich fürchte, mein Anspruch auf Wunder liegt für den Rest meines Lebens brach«, verneinte Chita niedergeschlagen. Doch ganz ließ sich die Hoffnung nicht aus ihrer Stimme vertreiben. »Zumal ich mich um mein Glück längst nicht so verdient gemacht habe wie du, Froh«, setzte sie trotzdem hinzu. »Ich war nie ein besonders guter Mensch, weder allzu fleißig noch besonders gewissenhaft. Die meiste Zeit habe ich mich einfach nur treiben lassen und kaum darüber nachgedacht, ob das, was ich tue, vernünftig oder falsch ist. Ich bin ein arrogantes, selbstverliebtes Prinzesschen, um es mit Mikkokas Worten zu sagen, und sogar, wenn ich dachte, dass ich etwas nur für Cocha, Sora oder sonst jemanden tat, habe ich es in Wirklichkeit nur für mich gemacht. Um niemanden zu verlieren. Ich bin anders als du. Selbst wenn ich eine hochansteckende, tödliche Krankheit hätte, hätte ich Cocha niemals freiwillig verlassen, um ihn nicht mit mir ins Verderben zu reißen. Eher hätte ich versucht, dafür zu sorgen, dass wir möglichst gleichzeitig miteinander sterben.«
»Auch du hast viel Gutes getan, Chita«, versuchte Froh sie zu trösten.
»Aha«, sagte Chita bitter. »Was denn?«
»Na ja«, antwortete Froh und wälzte sich umständlich auf die Seite, während er kurz überlegte. »Du hast den Stotterer zum Schweigen gebracht«, schlug er schließlich vor.
Chita maß ihn einen Moment zweifelnd, aber dann lachte sie, und ihr Lachen wärmte sein Herz erneut.
»Jetzt, wo du es sagst …«, stellte sie nach einem Moment fest, erhob sich von der Bettkante und tätschelte dem hässlichen Drachenvogel, der schon seit einer geraumen Weile schweigend zu ihren Füßen saß und geduldig auf den nächsten Fischabfallknödel wartete, sanft den nackten Kopf. »Er benimmt sich wirklich vorbildlich, seit ich ihn an die Wand geschmissen habe«, lobte sie ihn und fütterte ihn mit einem kleinen Happen. »Aber vielleicht hat er auch bloß Kopfschmerzen.«
»Ja, vielleicht«, bestätigte Froh. Doch ehe sie dieses angenehm belanglose Thema weiter vertiefen konnte, schwang die Tür zur Kajüte auf, und Kapitän Barrum steckte den Kopf zu ihnen hinein.
»Ich wollte dir nur sagen, dass …«, begann er und brach überrascht ab, als er Froh auf einen Ellbogen gestützt auf der Pritsche liegen sah. »Bei Lepus – er ist aufgewacht!«, stellte er erleichtert fest. »Es geschehen ja doch noch Zeichen und Wunder. Soll ich den Körperkundigen zu ihm schicken? Oder ihm etwas aus der Küche bringen lassen?«
»Nein. Und ja«, antwortete Chita. »Unser Wasser geht langsam zur Neige. Und etwas zu essen wäre auch nicht schlecht. Fischabfallknödel möchte ich ihm nicht anbieten.«
»Ich sage gleich oben Bescheid«, versprach Barrum und räusperte sich umständlich. »Aber eigentlich bin ich hier, um dich darauf vorzubereiten, dass wir gleich anlegen.«
Chita ließ einen weiteren Knödel in den Rachen des Stotterers fallen und drehte sich dann ganz zu Barrum um. »Wirklich? Das ist ein gute Nachricht. Hast du gehört, Froh? Wir sind in Cypria! Ich bin zu Hause!«
»Nicht in Cypria«, verneinte Barrum, der wenigstens dieses eine Wort zwischen all den fremden des schwarzen Jungen verstanden hatte, ernst. Es war allerhöchste Zeit, die Faronentochter mit der grausamen Wahrheit vertraut zu machen, die sie entweder noch immer nicht erkannt hatte oder erfolgreich verdrängte. »Sondern vor Walla.«
Chita erstarrte, und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. »In … vor …«, stammelte sie nun wieder in ihrer eigenen Sprache und wich vor Barrum zurück, bis die Rückwand der
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