Das Mädchen aus der Pearl Street
geworden.
„Lassen wir alles hier einfach so stehen?“ fragte sie ihre Kollegin. Die Frau nickte energisch.
„Worauf Sie sich verlassen können“, sagte sie zur Bekräftigung und ließ sich aufatmend auf die Stufe fallen, holte eine Tüte aus der Tasche und begann, eine Wurststulle zu kauen.
Kitty ergriff eiligst ihre Handtasche und dirigierte die geschwollenen Klötze, die an ihren Beinen hingen, den Gang hinunter. Von überall her strömten die Arbeiter der Kantine zu. Kitty schloß sich der Schlange vor der Theke an, kaufte sich eine Flasche Milch und schaute sich dann gleichgültig und müde nach einem Tisch um.
Aber was war denn das? War ihr durch die Hitze wahrhaftig schon der Verstand eingetrocknet, oder narrten sie bereits Fieberträume? Sie rieb sich die Augen mit der freien Hand, schüttelte sich die feuchten Haare aus der Stirn —— aber es nutzte nichts; auch wenn sie es nicht glauben konnte, sie sah doch immer wieder das gleiche: Da drüben an dem kleinen Tisch rechts saßen Piccolo Boswell und — Dean Tracy! Ihr Staunen hatte sie so sehr überwältigt, daß kein Raum in ihr für Scheu oder Verlegenheit blieb. Wie hypnotisiert ging Kitty auf die beiden zu. Es war, als habe sie Dean mitten im Dschungel des Amazonas plötzlich gefunden.
Piccolo bemerkte sie zuerst und verschluckte sich prompt an seinem Butterbrot. Dean klopfte ihm auf den Rücken, aber bevor Piccolo noch recht wieder schnaufen konnte, stieß er hervor:
„Dean, schau--“
Dean drehte sich um, und nun sah auch er Kitty.
„Hallo!“ grüßte er sie mit jenem bezaubernden Lächeln, das ihr schon immer so gut bei ihm gefiel, auch wenn es bisher noch nie ihr gegolten hatte, „sehen Sie, was Sie Piccolo angetan haben? Sie sollten sich zu uns setzen und mir seinen Rücken bearbeiten helfen, damit ihm nicht noch vollends die Luft wegbleibt.“
„Vielen Dank“, hustete Piccolo, „nicht mehr nötig. Alles, was ich jetzt brauchte, wäre ein kühles, stilles Zimmer und eine hübsche Krankenschwester. Du lieber Himmel, Kitty, was in aller Welt suchst denn du hier?“
„Arbeit!“ Sie lachte schalkhaft. „Darf ich fragen, was du hier verloren hast?“
Sie richtete ihre Worte an Piccolo, den sie ja bereits gut kannte, aber ihre Augen sprachen mit Dean.
„Wir arbeiten auch“, antwortete Dean, „wir sind sozusagen Sommerarbeiter 3 , zumindest bemühen wir uns. Es war Piccolos Idee. Vermutlich reflektiert er auf den Titel des Mr. Amerika und will seine Muskeln dazu hier etwas hochpäppeln.“
„Ha“, schnaubte Piccolo, „es ist nichts als der schnöde, schmutzige Mammon, der uns alle hierher gelockt hat. Wir werden den ganzen schönen Sommer hier schuften--, aaach, Kinder, ich könnte schon jetzt bloß noch an Krücken latschen.“
„Seid ihr auch im Maschinenraum?“
Beide warfen sich in Positur und begannen im Stil von Gilbert und Sullivan zu schmettern: „Oooh, wir sind die Jungs vom Maschinensaal, vom schööönen, heißen Maschinensaal…“Mitten im Takt hörte Piccolo auf zu singen. „Du willst doch nicht etwa sagen, Kitty, daß du auch da arbeitest?“
„Jawohl, tu’ ich!“
„Na“, machte Dean und maß sie bewundernd, „ich hätte nicht gedacht, daß das schwache Geschlecht eine derartige Strafe durchhalten kann.“
„Ich bin auch nur zur Hälfte noch übrig, der Rest ist bereits geschmolzen“, kicherte Kitty.
„Wenn dies hier nur eine Hälfte von Ihnen ist, dann bedauere ich sehr, daß es mir nicht vergönnt ist, die andere auch noch bewundern zu dürfen!“ Dean strahlte sie mit seinem gewinnenden Lächeln an, und ihre Freude darüber ließ sie sogleich bis zu den Haarwurzeln erröten. Heute hatte er sie zum erstenmal beachtet, sie durfte ihm gegenübersitzen und merkte wohl, daß sie ihm gefiel. Wie weggeblasen war plötzlich ihre Müdigkeit, und ihr Herz schlug in wilden Sprüngen.
„Wenn du weiterhin Komplimente zu servieren gedenkst“, sagte Piccolo trocken, „dann will ich euch beide mal offiziell bekannt machen: Kitty, darf ich dir Dean Tracy vorstellen? Dean, Miß Kitty Boscz!“
Dean verneigte sich leicht.
„Der Name ist nicht unbekannt geblieben in der Fairfield-High School“, bemerkte er, „ich habe ihn schon öfter gehört.“
„Zweifellos von mir“, warf Piccolo ein, „ich bin seit Jahren ein eifriger Bewunderer von Miß Boscz--sie kann nämlich über meine Witze lachen!“
Dean grinste.
„Piccolo melkt sein Hirn allzu eifrig nach diesen Witzen, scheint mir. Er bildet
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