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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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malten ein Marmormuster auf den Fußboden. Irgendwo sang ein Vogel, und von der Straße herauf drang das Geschrei spielender Kinder. Drüben, auf der andern Seite der Stadt, wachte wohl jetzt auch Dean Tracy auf. Ob er ebenso zerschlagen war wie sie? Hatten das Licht und der Lärm des Tages ihn auch so sehr gestört? War auch ihm zumute, als habe er ein kurzes Nickerchen gehalten statt eines tiefen, festen, belebenden Schlafes?
    Es war ein schönes und tröstliches Gefühl, zu wissen, daß wenigstens für eine kurze Zeitspanne er und sie gemeinsame Erlebnisse teilten und vielleicht auch die gleichen Gedanken hegten. Er würde sicherlich die selbstgewählte Kraftprobe bestehen und nicht frühzeitig aufhören. Und was sie betraf, nun, auch sie würde auf keinen Fall auch nur eine einzige Arbeitsnacht versäumen--, nicht, solange sie für eine halbe Stunde Dean würde sehen können.
    Sie rollte sich aus dem Bett und schüttelte die Kissen auf. Dann ging sie im Schlafanzug ins Bad, ließ Wasser in die Wanne laufen und überlegte dabei, was sie heute kochen könnte. Im Kühlschrank fand sie genug Hackfleisch, um einen falschen Hasen daraus zu kneten; wenn sie ein Ei und ein paar Hände voll Haferflocken beifügte, dann reichte es gleich noch mit für morgen. Sie schrubbte Kartoffeln ab und schob sie zum Backen in die Röhre, und ganz hinten im Schrank fand sie noch eine Dose Stangenbohnen. Der Speisezettel der Familie Boscz war niemals üppig, aber seitdem Kitty die Verantwortung dafür übernommen hatte — was im Alter von acht Jahren geschah —, hatte sie stets mit viel Eifer und Interesse alle Artikel in Zeitschriften und Büchern verfolgt, die sich mit Ernährung befaßten, und so war es ihr mit der Zeit in Fleisch und Blut übergegangen, dafür zu sorgen, daß bei keiner Hauptmahlzeit das wichtige Eiweiß und die Kohlehydrate und zumindest ein grünes Gemüse fehlten. Die Kartoffeln pflegte sie darum im Ofen zu backen, da auf diese Weise die meisten Vitamine erhalten blieben, ohne daß gewisse Stärkebestandteile genügend aufgeschwemmt wurden, um dick machen zu können. Oh, Kitty wußte Bescheid, schon allein darum, weil anscheinend die Leute außerhalb der Pearl Street Wert auf derartige Ernährungsregeln legten, und allem, was sie taten, war sie von jeher aufgeschlossen gewesen.
    Im ersten Stock begann nun Mutter in ihrem Zimmer zu rumoren. Kitty begriff heute zum erstenmal ganz, warum ihre Mutter so wenig Energie für Haus und Familie übrigbehielt, nachdem sie die ganze Nacht gearbeitet hatte. Tagsüber schlafen zu müssen war anders und viel weniger kräftigend und erfrischend als der normale Schlaf bei Nacht. Es war, offen gestanden, ausgesprochen scheußlich.
    Die Haustür knallte ins Schloß, und Danny stolperte ins Haus.
    „Hallo!“ rief er, „ich dachte schon, du würdest heute überhaupt nicht aus den Federn kriechen. Wie war’s übrigens?“
    „Entsetzlich!“ gab sie zu und schluckte zwei Aspirintabletten. „Wie gefiel denn dir deine neue Vollbeschäftigung im Gasthaus?“
    „Nicht schlecht!“ Er setzte sich aufs Sofa, und Kitty merkte, daß er etwas auf dem Herzen hatte.
    „Du, Kitty“, begann er schließlich, „ich habe gehört, daß der Gemeindehausapostel gestern hier war, um Thomas zu sprechen.“
    „Er kam, um mit mir zu reden“, antwortete sie, „woher weißt du das?“
    Er drehte den Kopf in Richtung der Straße.
    „Von den Bianchis drüben.“
    „In dieser Nachbarschaft bleibt auch nichts verborgen“, sagte Kitty darauf bitter.
    „Was hat er denn gewollt?“ fragte Danny neugierig.
    Sie lächelte ihm entwaffnend ins Gesicht.
    „Interessiert dich das?“
    „Neee. Absolut nicht!“
    Er begann mit verbissenem Ernst an einem losen Faden im Sofaüberzug zu zwirbeln. Kitty ließ ihn einige Minuten im ungewissen. Dann fragte sie sanft:
    „Danny, warum trittst du denn nicht dem Klub im Gemeindehaus bei?“
    „Ich?--Pah! So’n Kinderverein!“
    „Du darfst mir ruhig zugeben, Danny, daß du von Anfang an daran interessiert warst und es noch bist. Mr. Whitney hat dich außerdem eingeladen, oder etwa nicht?“
    Hm, ja. Ich glaube... Was hältst du übrigens von ihm, Kitty?“
    „Was ich von ihm halte? Nun, ich finde ihn ausgesprochen in Ordnung!“
    Dannys Augen leuchteten auf.
    „Ich auch, Kitty. Es ist bloß —, hm, du weißt selbst, wie man von seinem Klub redet. Demnach müßte er etwas für Schwächlinge und Muttersöhnchen sein, und ich — hm...! Außerdem hat Pussy

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