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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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wo nur ausländische Filme gezeigt wurden. In dieser Woche liefen in allen Lichtspielhäusern der Stadt ausgezeichnete amerikanische, und sogar die beiden Drive-Ins 4 hatten ein höchst spannendes Programm. Aber Cy fragte sie nicht einmal. Er parkte einfach seinen Volkswagen vor dem Bijou und sagte dann höchst sachlich:
    „Es ist ein französischer Film, der besonders gute Kritiken bekommen hat. Ich hoffe, daß Sie sich dafür interessieren.“
    Kitty schoß ihm einen wütenden Blick zu, aber er prallte an ihm ab, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als die Schultern zu zucken und diesen Abend auf ihr Konto „Durch Erfahrung wird man klug“ zu buchen. Schließlich war sie doch wißbegierig, nicht wahr? Und Cy Whitney war sozusagen ein „älterer Mann“ und zudem Akademiker, und von solchen konnte man bekanntlich immer lernen. Wenn er sich einen französischen Film aussuchte, mußte schon irgend etwas dran sein.
    Anscheinend hatte der Film tatsächlich etwas zu bieten, denn die Zuschauer brachen des öfteren in schallendes Gelächter aus, wenn der spärliche englische Untertext absolut nichts Lustiges andeutete. Allmählich wurde es Kitty klar, daß die meisten dieser Besucher über sehr gute französische Sprachkenntnisse verfügen mußten. Intellektuelle! Blaustrümpfe! Lieber Himmel! Und mit einem von dieser Sorte verbrachte sie ihren kostbaren Samstagabend. Daß ihr das nicht vorher auf gegangen war!
    Als der Film zu Ende war, richtete Cy zielbewußt seine Schritte in Richtung auf die Konditorei zur „Zuckerdose“.
    „Dies scheint mir ein nettes Lokal zu sein“, entschied er, „wir wollen hier etwas essen.“
    „Fein“, sagte sie schwach.
    Er suchte einen Tisch, der möglichst weit vom Musikautomaten entfernt war, gab der Bedienung eine Bestellung auf und fragte dann: „Nun, wie hat es Ihnen gefallen?“
    „Was?“ erkundigte sie sich vorsichtig, „der Film?“
    Er lächelte. „Was denn sonst?“
    „Nun--er war gewiß —— hm, sehenswert“, stotterte sie.
    Sein Lächeln wurde zum offenen Lachen.
    „Das bedeutet, daß Sie ihn ausgesprochen negativ beurteilen, ich weiß. Aber das macht nichts. Ich habe vor dem Kinobesuch Ihre Meinung nicht berücksichtigt, und darum sollte ich Sie nun hinterher auch nicht danach fragen. Ausländische Filme verlangen von uns, daß wir unseren Geschmack in einer bestimmten Richtung entwickeln — wie man es zum Beispiel auch für Oliven tun muß —, ehe man sie schätzen und schließlich genießen lernt.“
    „Wenn ausländische Filme und Oliven den Weg aus der Pearl Street hinaus ebnen, dann werde ich beides mit Wonne schlucken lernen“, antwortete sie.
    „Die Pearl Street“, gab er nachdenklich zurück, „die Pearl Street und alle Straßen dieser Art wirken so auf uns, wie wir sie betrachten wollen. Es hängt einzig und allein von unserer Einstellung ab. Wenn Sie etwas älter sind, werden Sie das selbst noch erkennen, Miß Boscz.“
    „Erkennen? Was erkennen? Ich weiß nicht, was Sie meinen“, fragte sie verwirrt.
    Ich meine folgendes: Sie sind etwa achtzehn Jahre, stimmt das? Sie tragen ein gut geschneidertes Kostüm mit einer adretten weißen Bluse, ja? Schuhe gleichfalls tadellos. Haare nach der letzten Mode frisiert — oder zumindest höchst kleidsam. Gesicht: Hübsch, mit gutgeschnittenen, unkomplizierten Zügen. Makeup: sehr diskret. Alles zusammengenommen: eine typische junge Amerikanerin; tägliches Bad, täglich frische Wäsche, gesunde Zähne, klare Aussprache--einer Plauderei stets aufgeschlossen. Was kann Ihnen da schon eine gewisse Adresse anhaben?“
    „Wissen Sie nicht, was es bedeutet, aus der Pearl Street zu stammen, Mr. Whitney?“
    „Sehen Sie, Kitty, das eben wollte ich zum Ausdruck bringen. Es bedeutet absolut nichts, wenn man so wirkt wie Sie. Das Ganze ist Einbildung, ein einfältiger Komplex. Sie sind Sie selbst, ganz gleich, wo Sie wohnen, und wer Sie so sieht, wie Sie heute abend hier sitzen--, nun, woher sollte man irgendeine negative Meinung von Ihnen haben können?“
    „Es hat viel Mühe gekostet, bis ich mir den Steckbrief, den Sie mir soeben ausstellten, erarbeitet hatte“, bemerkte sie unwillig. „Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß das Milieu der Pearl Street in einem steckenbleibt...“
    „Sicherlich. Aber der einzige wirkliche Unterschied zwischen Ihnen und Fräulein Wohlhabenheit, die irgendwo in der Terrassenstraße in der Villa ihrer Eltern verwöhnt wird, ist ausschließlich in ihrer eigenen

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