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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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Einstellung begründet. Sehr viele Leute müssen sehr viel Mühe aufbringen, bis sie gelernt haben, wie man sich zum Beispiel geschmackvoll kleidet oder sich anregend unterhält. Auch eine vielbeneidete junge Dame der Gesellschaft muß erzogen werden und sich selbst erziehen. Ich glaube Ihnen aber, wenn Sie sagen, daß Sie von der verhaßten Pearl Street-Atmosphäre nicht loskommen; sie steckt in Ihnen fest, in Ihrem ständig nagenden Gefühl der Minderwertigkeit gegenüber sozial besser gestellten Menschen -— in Ihrer Furcht, sich niemals mit jenen messen zu können.“
    „Oh!“ Kitty verfolgte diesen Gedankengang aufmerksam. „Lösen Sie sich von dieser falschen Einstellung, Kitty, und die Welt gehört Ihnen.“
    Die Bedienung stellte ein großes, schäumendes Glas Eiscreme-Soda vor die beiden hin, maß sie mit einem neugierig-abschätzenden Blick und ließ sie dann wieder allein.
    „Können Sie mir verraten“, nahm Cy die Unterhaltung erneut auf, „was Sie sich von Ihrem Leben wünschen?“
    „Liebe Zeit, das ist ja eine Doppelportion!“ Kitty steckte den Strohhalm in die sahnige Pracht. Sie nahm ein paar Schlucke, um kurz überlegen zu können, und antwortete dann auf seine Frage:
    „Nun, ich habe noch nicht allzu weit vorausgeplant. Fürs erste wünsche ich mir einmal hübsche Kleider und nette Bekannte und möglichst bald einen Sechswochenkursus in der Handelsschule, damit ich dann eine saubere, ordentliche Stellung bekommen kann, die außerdem gut bezahlt wird. Und dann? Nun, eines Tages vielleicht eine eigene Wohnung — — ein Auto ...“
    „Ist das alles?“ fragte er.
    „Ob das alles ist? Nun, man kann sich noch allerlei dazuwünschen, aber mir klingt es auch so schon wie ein Traum.“
    „Wenn Sie so reden, dann unterscheiden Sie sich allerdings wirklich kaum von jedem andern jungen Mädel in der Pearl Street. Ich hatte Sie für klüger gehalten.“
    Er lehnte sich vor, als müßten seine Worte sie so noch direkter ansprechen.
    „Sie geben zu, Kitty, daß Sie wegen der Straße, in der Sie wohnen, unter Minderwertigkeitsgefühlen leiden?“
    „Ja.“
    „Dann werden Sie diese auch nicht loswerden, falls Sie aus der Pearl Street wegziehen könnten“, führte er triumphierend aus; „glauben Sie, man kann mit Hilfe eines bloßen Möbelwagens das alles hinter sich bringen? Glauben Sie tatsächlich, daß es möglich ist, solche Komplexe zu besiegen, indem man sich irgendwelchen Luxus zulegt? Ich könnte Ihnen einen Nerzmantel um die Schultern legen--und trotzdem blieben Sie auch darin Miß Boscz.“
    „Nun“, lächelte sie verlegen, „immerhin wäre das eine Hilfe.“ Auch er lächelte, und die Spannung in seinen Zügen ließ nach. „Ich halte schon wieder Standpauken, ich weiß“, gab er zu. „Es tut mir leid. Aber ernsthaft, Kitty, statt Ihren Haß immerzu gegen die Pearl Street weiterzuschüren--, nun, sind Sie jemals auf die Idee gekommen, dieser Straße helfen zu wollen?“
    „Helfen?“
    „Ja.“
    Sein Gesicht nahm wieder einen härteren Ausdruck an. „Helfen! Indem Sie sie erobern, statt vor ihr wegzulaufen. Indem Sie das häßliche Milieu richtig erkennen und sich dann bemühen, es zu verschönern. Kurz: indem Sie ihrer Nachbarschaft Verständnis und guten Willen entgegenbringen an Stelle von Haß.“
    „Was meinen Sie damit?“
    „Schauen Sie“ — seine Stimme wurde wieder weicher —, „ich will hier keine Reklamereden für das Gemeindehaus halten, Kitty, wirklich nicht. Aber ich bin selbst durch die Mühle gegangen, glauben Sie mir das. Ich habe eine harte Schule durchmachen müssen, eine sehr, sehr harte sogar, und nun möchte ich gerne mit Ihnen teilen, was zu erkennen mich Jahre gekostet hat. Es ist sozusagen ein Rezept, das uns das Gefühl verschafft, neben jedermann in der Welt hintreten zu können. Es heißt ,Geben’, Kitty.“
    „Geben? Was denn?“
    „Sich selbst. Ihre Zeit. Ihr Herz. Ihren Geist. Helfen Sie jemandem, irgend jemandem; es gibt viele, die es noch schwerer haben als Sie.“
    Kittys Augen waren bisher gleichgültig durch den Raum gewandert, aber in diesem Moment blieben sie am Eingang haften, und sofort schweiften alle ihre Gedanken von Cy und seinen Problemen ab. Sie konzentrierten sich zusammen mit ihrem staunenden, glückseligen Blick auf die Tür. Gemeinsam mit drei jungen Männern war soeben Dean ins Lokal getreten! Dean! Lieber, guter Dean! Er war an diesem Samstagabend mit Freunden ausgegangen! Wie viele Mädchen hätte er wohl im letzten

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