Das Mädchen aus der Pearl Street
heißt, er war immer schon Vizepräsident, und Mr. Galways hatte ihm versichert, daß er bestimmt sein Nachfolger würde. Nun, Mr. Galways ist letztes Jahr ganz plötzlich verstorben, aber der Ausschuß der Direktoren hat einen neuen Mann hereingebracht und ihn zum neuen Präsidenten gewählt. Das bedeutete das Ende für meinen Vater.“
„Du meinst, er hat seine Stelle verloren?“ entsetzte sich Kitty. „Aber nein. Selbstverständlich nicht.“ Dean seufzte; Kitty schien ihm allzu beschränkt zu sein.
„Ich finde den Posten des Vizepräsidenten sehr gut“, bewies sie weiterhin diese Beschränktheit, und Dean seufzte von neuem.
„Du kapierst den Kernpunkt des Problems nicht. Natürlich ist Vizepräsident schon etwas, aber er sollte zum Präsidenten aufsteigen. Wir alle hielten die Sache für abgemacht. Mutter hätte nie für möglich gehalten,--! Du mußt verstehen, wie erniedrigend es für sie war. Mutter war wütend auf Papa, denn sie meinte, es liege daran, daß Vater zu träge geworden sei. Wenn er öfter mit den Direktoren Golf spielen gegangen wäre — oder dergleichen —, dann hätten sie ihm aus der Hand gefressen, sagt Mutter. Sie hätten dann gar nicht anders gekonnt, als ihn zum Nachfolger von Mr. Galways zu machen. Leider ist es wahr — Papas Energie hat nachgelassen.“ Er hielt einen Augenblick lang inne und streichelte ihre Hand. „Es ist wohltuend, mit dir sprechen zu können, Kitty, du bist so teilnahmsvoll.“
„Ich? Teilnahmsvoll?“ Sie war sich dessen nicht bewußt, zumindest nicht im Sinne von Deans Mutter.
„Mutter hatte so fest damit gerechnet“, fuhr Dean fort, „und nun mußte sie statt dessen gar noch freundlich der Frau des neuen Präsidenten entgegenkommen, einem jungen Mädchen, das gerade erst aus dem College gekommen ist und nun genießt, was Mutter zukäme. Ich kann verstehen, wenn ihr die Galle überläuft.“
Aber was ist mit deinem Vater?“ stammelte Kitty.
Deans Lippen versteiften sich. „Nun“, sagte er hart, „Papa hat wohl erkannt, daß es seine eigene Schuld war, wenn er nun sein Leben lang ein Mensch zweiter Klasse bleiben wird.“
„Ein Mensch zweiter Klasse?“ echote Kitty. Der Vizepräsident einer der größten Banken, ein Mensch zweiter Klasse? In der Pearl Street galt ein Mann als erfolgreich, solange er Arbeit hatte, irgendeine ehrliche, einträgliche Arbeit.
„Natürlich tut mir alles schrecklich leid“, beeilte sie sich zu versichern, „ich hatte bisher nie etwas von dieser Geschichte gehört.“
„Fast jeder in der Schule wußte davon, obwohl ich niemandem etwas gesagt hatte, außer Piccolo.“
„Oh! Und was hat Piccolo dazu gemeint?“
„Du kennst doch Piccolo.“ Er lächelte. „Er fand, daß meine Mutter ihr Hirn untersuchen lassen solle oder so etwas in der Richtung.“
Kitty nickte zustimmend. „Und du? Du erstrebst nun in erster Linie Erfolg. Du willst sicher sein, daß dir die Rolle des .Menschen erster Klasse 4 zuteil wird.“
„Darauf kannst du wetten“, bekräftigte er gedankenvoll. Dann lächelte er sie von der Seite an: „Und nun soll ich dich wohl fragen, was du dir am meisten auf der Welt wünschst?“ Kitty maß ihn mit einem abschätzenden Blick. Sie dachte an alle ihre vielfältigen Sehnsüchte, an ihren Ehrgeiz, der ein Teil ihres Lebens gewesen war, seitdem sie laufen gelernt hatte. Aber sie spürte, daß sie zu ihm nicht darüber sprechen konnte. Sie zweifelte, ob er ihre Kümmernisse und Hoffnungen verstehen könnte, ja - und das war noch schlimmer — sie hatte das Gefühl, als interessiere es ihn gar nicht, davon zu hören.
„Mein glühendster Ehrgeiz“, scherzte sie darum, „war von jeher der, einen schmissigen Samba aufs Parkett zu legen.“
„Mit mir, hoffe ich.“
„Bist du etwa nicht der begehrenswerteste Samba-Held der Fairfield-High-School gewesen?“
„Zweifellos. Und verdiene ich etwa keinen Kuß dafür?“
Er küßte sie. Und dann küßte er sie noch einmal. Und dann startete er den Motor und fuhr sie nach Hause. Es war ein ganz herrlicher Abend gewesen — oder etwa nicht?
Beim Abendessen verkündete Danny: „In der letzten Augustwoche führen wir ein Theaterstück auf. Dieser Boswell ist wirklich eine Kanone!“
„Meinst du Piccolo?“ fragte Kitty.
„Er heißt John“, berichtigte Danny eifrig. „Ich weiß, daß du mit ihm zur Schule gegangen bist, aber ich verstehe nicht, warum ihr ihn Piccolo nennt. Wir finden ihn alle ganz groß und haben mächtigen Respekt vor
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