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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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Schule hatte er sie ja auch nie beachtet. Sie wünschte so sehr, daß er sich Hals über Kopf in sie verliebte, aber leider zeigte er niemals, außer vielleicht auf dem Tanzparkett, daß er eine wirkliche Neigung für sie empfand.
    Um Mitternacht machten sie sich auf den Heimweg.
    Es war eine klare, kühle Nacht, und über den dunklen Bergen im Westen hing die scharfgeschnittene Goldsichel des zunehmenden Mondes. Sie fuhren wieder zur gleichen Milchbar, diesmal gab es aber heiße Würstchen und Eiscreme-Milch.
    „Mädchen, Tanzen macht durstig“, sagte Dean, als er mit den Tabletts zurückkam und jedem das seine am Wagenfenster festklammerte, „ich habe Schokoladeneismilch genommen, ist dir das recht?“
    „Fein.“
    Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und flüsterte erwartend:
    „Dean?“
    „Hmm?“
    „Was wünschst du dir mehr als alles auf der Welt?“
    „Wie? Ich?“ Er runzelte die Stirn. „Wie kommst du auf so eine komische Frage?“
    „Oh, ich dachte nur so“, stotterte sie, „hast du noch nie über so etwas nachgedacht?“
    „Doch, sicher. Nun, ich glaube, ich möchte als erstes Erfolg im Leben haben. Wie wohl jeder.“
    „Das ist zu allgemein. Ich möchte gern wissen, was du im einzelnen ersehnst--, was du wählen würdest, wenn du nur einen
    einzigen Wunsch offen hättest.“
    „Ich würde auf jeden Fall ,Erfolg’ sagen.“
    „Oh“, machte sie enttäuscht.
    „Hast du was dagegen? Was ist daran auszusetzen?“
    „Nichts. Absolut nichts. Auf welchem Gebiet willst du denn so erfolgreich sein?“
    Er zuckte die Achseln. „Das bleibt sich gleich. Einfach überall an der Spitze sein, das meine ich wohl damit.“
    „Aber das hast du bereits erreicht“, meinte sie unwillig.
    „Ach, das war in der Schule“, meinte er wegwerfend, „als nächstes kommt nun das College, das ist schon eine bessere Sache. Aber um alles in der Welt, was für ein Gesprächsthema nach einem Tanzabend!“
    „Ich weiß“, gab sie zu und zog ihre Beine auf den Sitz herauf, „aber ich hätte nicht gedacht, daß du dir etwas wünschst, was du in gewisser Weise schon einmal hattest. Es erscheint mir unverständlich. “
    „Nein, absolut nicht“, antwortete er ernst, „Erfolg im College ist sehr wichtig. Meine Schulerfolge bedeuten so gut wie nichts. Schule ist sehr unwichtig, verglichen mit dem College. Man wird meine Schulzeugnisse vielleicht schon betrachten, aber man wird sagen: ,Schön und gut, aber was hat er im College geleistet? Welcher Verbindung hat er angehört, in welchen Clubs war er Mitglied, was waren seine sportlichen Erfolge’ und so weiter - - all das spielt die gleiche Rolle wie Zensuren, vielleicht noch eine größere.“
    „Wer ist ,man‘?“ fragte sie.
    Nun, die hohen Tiere, die mich später einmal einstellen
    sollen.“
    „Hohe Tiere?“
    „Ja, die Industriekapitäne!“ erklärte er, „du mußt wissen, daß ich Volkswirtschaft studieren werde, und wenn ich Glück habe, dann schaffe ich’s, dann kann ich sozusagen gutmachen, was Mutter gelitten hat.“
    Kitty kannte sich nicht mehr aus. Diese Unterhaltung begann sie mehr und mehr zu verwirren, und sie hatte beinahe vergessen, worauf sie mit ihrer ursprünglichen Frage hingezielt hatte.
    „Ich weiß nicht, was deiner Mutter passiert ist“, sagte sie höflich, „es tut mir leid, wenn es ihr schlecht ging.“
    „Eine Zeitlang war es schwer für sie, sehr schwer sogar“, seufzte er, und beim Anblick seines bekümmerten Gesichtes hätte sie am liebsten beide Arme um seinen Hals gelegt und ihn getröstet.
    „Hat deine Mutter einen Unfall gehabt?“ erkundigte sie sich teilnehmend.
    Er starrte sie erstaunt an. „Unfall?“ wiederholte er. „Willst du etwa sagen, daß du nichts von der Geschichte weißt?“
    „Welche Geschichte?“
    „Nun, von meinem Vater.“
    „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst“, gab sie zu.
    Er schüttelte den Kopf. „Es ist wahrhaftig eine Wohltat, jemanden zu treffen, der von diesem ganzen garstigen Geschäft nichts weiß. Ich meine die Tatsache, daß Papa es nicht zum Präsidenten gebracht hat.“
    „Präsident? Von was?“
    Er nahm ihre Hand. „Weißt du, eine Zeitlang wären wir alle am liebsten irgendwo in eine Höhle gekrochen, so peinlich war die Angelegenheit“, gestand er. „Du mußt wissen, daß Papa jahrelang der erste Anwärter für die allerhöchste Stelle war - - immer, so lange ich mich erinnern kann. In der Bank“, fügte er auf ihren fragenden Blick hin erklärend hinzu. „Das

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