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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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einziges Weib?“ lachte sie zurück. „Irgendeine wirst du doch auf den Schulabschlußball geführt haben?“
    „Jawohl, habe ich. Es war meine kleine Schwester. Aber bevor ich anfange, dir leid zu tun, möchte ich noch bemerken, daß sie trotz ihrer fünfzehn Jahre bereits eine Schönheit ist und die Schlange ihrer Verehrer von hier bis Boston reicht. Ich brauchte nicht ein einziges Mal mit ihr zu tanzen, sondern konnte mich von unseren anstrengenden Abschlußprüfungen ausruhen.“
    „Irgendeine mußt du damit aber doch enttäuscht haben!“
    „Nicht daß ich wüßte“, widersprach er trocken, „außerdem bin ich der Solodamen-Typ!“
    „Vermutlich. Ich habe dich noch nie zusammen mit einem Mädchen gesehen.“
    „Oh, hin und wieder kommt es schon mal vor. Zum Beispiel heute. Aber nun Schluß damit! Trink deine Milch!“
    Es gefiel ihr, wie er mit ihr sprach, halb neckend und halb ernst. Er war für sie fast wie ein älterer Bruder, außer---, nein, er war absolut nicht wie ein Bruder, sondern ein alter, vertrauter Freund. Aber auch das traf nicht genau zu, denn schließlich hatte sie ihn erst vor etwa 4 Wochen richtig kennengelernt. Er war ein netter Kerl, fand sie, ein ausgesprochen netter Junge.
    „Piccolo“, sagte sie unvermittelt, „darf ich dir eine etwas komische Frage stellen?“
    „Mich fragt man immer komische Sachen“, antwortete er. „Nun“, fuhr sie etwas unsicher fort, „ich will nicht allzu persönlich werden, aber glaubst du, daß ich — verglichen mit andern Mädchen — zu ernst bin?“
    Er lachte. „Zu ernst für was?“
    „Ach, ich weiß selbst nicht recht.“ Sie runzelte die Stirn und dachte nach. „Zu ernst für mein Alter vielleicht. Für Vergnügen und Spiele und dergleichen. Zu ernst in meiner Einstellung zum Leben.“
    „Du wirkst absolut nicht wie ein Schwarzseher, wenn du das etwa meinst“, antwortete er. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung, worauf du hinaus willst, aber in jedem Fall würde ich sagen, daß man einen gewissen Ernst haben muß, um seiner selbst sicher zu sein.“
    „Sicher? Das kannst du von mir wohl kaum sagen.“
    „O doch. Ich halte dich für eine sehr ausgewogene Persönlichkeit. Für die Pearl Street auf alle Fälle. Cy sagt, du leistest Beachtliches, wie du die Familie zusammenhältst. Als er sich nach deinem Bruder erkundigen wollte, sagte jeder: ,Sprich mit Kitty! 1 Trifft das auf viele Mädchen deines Alters zu?“
    „Was willst du sagen mit: ,Für die Pearl Street auf alle Fälle 1 ?“ begehrte sie auf.
    „Wenn du in der Schule so geglänzt hättest wie in der Pearl Street, dann wärst du der Star auf jedem Ball gewesen. Statt dessen tatest du alles, um den Eindruck zu erwecken, du seist ein verängstigtes Hühnchen“, erklärte er.
    „Du nimmst kein Blatt vor den Mund“, seufzte sie.
    Er lächelte sie von der Seite an. „Warum sollte ich? Aber nun Spaß beiseite. Statt zu sagen, du seist zu ernst, wollen wir lieber das Wort .reif 1 wählen.“
    „Bin ich das?“
    „Meiner Ansicht nach durchaus.“
    Sie hätte gern weitergesprochen und gesagt, daß das alles leider nicht die Tatsache erkläre, daß sie sich nie so geben könne, wie sie wirklich sei, wenn sie mit Dean zusammen war. Warum hatte sie dann immer das Gefühl, sie müsse irgendwie Theater spielen? Oder war Piccolos Feststellung in gewissem Sinne eine Erklärung für ihre Schwierigkeiten? Vielleicht lag die Schuld gar nicht bei ihr, sondern bei Dean? Sie erinnerte sich dunkel, daß Cy einst vorausgesagt hatte, ihre Schwärmerei werde nicht den Sommer überdauern; Dean würde sie langweilen, hatte er gemeint, da sie jetzt schon zweimal soviel vom Leben wisse wie er. Konnte das der Grund sein für die Leere, die sie stets zwischen sich und ihm empfand, für jenen Mangel an Gesprächen und an gemeinsamem Interesse, wenn man anderswo als auf der Tanzfläche einander nah sein wollte?
    „Übrigens“, fuhr Piccolo sachlich fort, „ich glaube, du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der genau weiß, was er will.“
    „Weiß ich das?“
    Er nickte. „Du willst aus der Pearl Street heraus, und außerdem willst du Dean Tracy. Und ich glaube“, fügte er kühl hinzu, „du bist auf dem besten Wege, all das auch zu kriegen.“
    „O bitte“, lenkte Kitty ab, „laß uns von etwas anderem reden.“ Es war heiß im Drug-Store trotz der Ventilatoren an der Decke, und die Unterhaltung schleppte sich nur träge weiter. Sie versuchten, sich über die Mitarbeiter in der Fabrik

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