Das Mädchen aus der Pearl Street
ehemalige nüchterne Strenge gemildert, indem man bunte Blumenkästen auf die Stufen und um den Flaggenmast gruppiert hatte. Die Petunien ließen zwar in der Hitze müde ihre Köpfe hängen, aber man sah, daß sie sorgfältig gepflegt und eifrig vom Unkraut befreit wurden. Über dem Eingang hing eine neue Bogenlampe, die leider bereits zerbrochen war. Offensichtlich war sie ein allzu lockendes Ziel für Steine, die vom Gehsteig her geworfen werden konnten.
Kitty stieg die Treppe hinauf und trat durch die Tür. Im Empfangsraum saß ein sehr hübsches junges Mädchen am Schreibtisch. Als Kitty erklärt hatte, was sie herführte, nickte das Mädchen und sagte:
„Richten Sie bitte Danny aus, daß er seine Rolle am Mittwoch wieder abholen kann. Ich hoffe, Sie sehen sich unser Theaterstück im August an?“
„Spielen Sie auch mit?“
„O nein, ich bin nur zum Zuschauen hier, denn ich soll Mr. Boswells Posten übernehmen, wenn er uns im Herbst verläßt und auf die Schauspielschule geht. — O John, wir haben gerade von Ihnen gesprochen“, fügte sie hinzu und nickte jemandem zu der hinter Kitty aufgetaucht sein mußte. „Miß Boscz, kennen Sie Mr. Boswell?“
Kitty drehte sich um und lachte. „Ziemlich gut“, antwortete sie.
Wir treffen uns jede Nacht“, führte Piccolo weiter aus, „in der Fabrik“, setzte er wegen des erstaunten Ausdrucks im Gesicht des Mädchens eilig hinzu.
„Ist das nicht allzu schwere Arbeit?“ fragte sie.
„Miß Boscz ist eine Amazone, ein ausgesprochenes Mannweib!“ erklärte er grinsend, „nichts widersteht ihren Kräften und Möglichkeiten. — Darf ich dich nach Hause fahren, Kitty? Oder wartet Dean auf dich?“
„Dean wartet nicht auf mich!“ Kittys Stimme klang ungewöhnlich hart. Glaubte Piccolo, sie und Dean klebten jeden Augenblick zusammen?
„Schön. Also auf Wiedersehen, Agnes; wache über unsern Herdfeuern!“
„Auf Wiedersehen, John!“
„Der Wagen ist hinter dem Gebäude geparkt“, wandte sich Piccolo mm Kitty zu, „es empfiehlt sich nicht, ihn auf der Straße zu lassen, nachdem die Reifen schon zweimal aufgeschlitzt wurden. Die Halbstarken scheinen das Gemeindehaus und alles Drum und Dran einmal wieder besonders aufs Korn genommen zu haben.“
„Tut mir leid.“
„Es gehört schon was dazu, Pussy Putnam einzuschüchtern“, gab er zu. Sie kletterten ins Auto, fuhren auf die Straße hinaus, und Piccolo stieg noch einmal aus, um vorsichtshalber das Gittertor wieder fest zu verschließen.
„Heiß, nicht wahr?“ bemerkte er nebenbei.
„Heute nacht werden wir noch mehr schwitzen“, entgegnete Kitty kläglich.
„Salztabletten und Schweißbänder!“ Piccolo schüttelte sich.
„Du hast bedenklich abgenommen, Kitty; hat dir das noch niemand gesagt?“
„Ja, Danny hat es auch schon festgestellt.“
„Wie wäre es also mit einem Glas Eiscreme-Milch“, schlug er vor, „oder hast du etwas Besseres vor?“
Sie lächelte.
„Ich, wieso?“
„Gut.“
Er lenkte den Wagen aus der Pearl Street hinaus und parkte zwei Blocks weiter vor einem stillen, kühlen Drug-Store.
„Aussteigen, meine Dame!“ rief er und hielt ihr den Schlag auf.
Kitty dachte noch immer an die Hitze im Maschinenraum heute abend und überlegte, ob sie wagen sollte, eine Nacht lang krankzuspielen, um dieser Hölle zu entrinnen.
„Wie schaffen es nur die andern Frauen?“ fragte sie laut. „Es ist der Hals“, erklärte Piccolo, nachdem sie auf den hohen Stühlen an der Theke Platz genommen hatten, „ja, der Hals. Ich las diese Theorie irgendwo, und sie leuchtet mir durchaus ein. Schließlich hält unser Rückgrat uns aufrecht, und der Hals ist ein Teil davon; Leute mit starken Hälsen können mehr aushalten als andere.“
Kitty legte ihre Hände um die Kehle und versuchte sie mit den Fingern zu umspannen.
„Deiner macht einem Schwan Konkurrenz“, bemerkte Piccolo, „ein Poet würde sagen: ,Er gleicht einer Säule! 4 Aber in der Fairfield-Plastikfabrik braucht man etwas Kräftigeres als schlanke Säulen.“
Kitty kicherte. „Dank für das Kompliment.“
„Keine Ursache. So, und nun such dir was aus! Mach es ruhig teuer, ich habe gerade gestern meinen Scheck eingewechselt.“ Sie bestellten Malzmilch, und Kitty fragte, wie er seine Lohnschecks anlege.
„In allerkleinster Weise“, ulkte er munter, „ich kann mir
weder Wein noch Weib und Gesang leisten, und so bleibt mir nichts weiter übrig, als die Piepen auf die hohe Kante zu legen.“
„Nicht einmal ein
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