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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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denke, er hat jemanden nötig, der ihn versteht und zurechtstutzt.“
    „Kleine Plaudereien mit Whitney vielleicht? Wieviel berechnen Sie für Ihre Analysen?“
    Er lachte. „Das Beste im Leben ist immer frei, Miß Boscz. Und nun sagen Sie mir, welche Mitarbeit hier bei uns Ihnen am meisten liegen würde.“
    Als sie das Gemeindehaus verließ, hatte sie sich bereit erklärt, jeden Freitagnachmittag in der Kindertagesstätte zu helfen, wo Kinder arbeitender Mütter beaufsichtigt wurden. Wenn ihr das gefiel, sagte Cy, dann solle sie im Herbst einen Kochkursus für junge Mädchen leiten. Wie dankbar wäre sie gewesen, wenn ihr früher jemand beigebracht hätte, wie man eine Familie zwar preiswert, aber doch gesund ernährt! Sie mußte nun noch selbst allerlei dazulernen, aber dann würde es ihr vielleicht gelingen, die Kochkünste der Pearl Street zu fördern, wie Cy es sich wünschte. Er hatte dreimal in ihrer Nachbarschaft zu Mittag gegessen und jedesmal eine Magenverstimmung davongetragen. Sie wußte, was er meinte. Ernährungsfragen wurden in der Pearl Street völlig vernachlässigt. Ein Teil der Leute hier wußte nicht, wie man vernünftig lebte, und es interessierte sie auch nicht. Aber der Rest bestand aus Menschen mit gutem Willen, die nur durch Unglück oder Krankheit so weit heruntergekommen waren, daß sie in der Pearl Street leben mußten. Die erste Gruppe war zu faul, um anständige Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen, die zweite war zu sehr damit beschäftigt, sich wieder hochzuarbeiten, um viel Zeit für die Küche erübrigen zu können, wie zum Beispiel ihre eigene Mutter.
    Kitty wußte sehr, sehr viel über die Pearl Street. Hier war sie auf gewachsen, hatte als Kind „Zeck“ gespielt und Seil gesprungen und an heißen Tagen Eisstückchen vom Eiswagen stibitzt, die finsteren Seitengassen erkundet und hin und wieder ihre Spielgefährten in die Zwangserziehungsanstalt abmarschieren sehen. Es wurde ihr klar, daß man sie geradewegs als Expertin für Fragen dieser Straße betrachten konnte, und darum legte wohl Cy soviel Wert auf ihre Mitarbeit. Es gab kein anderes Gebiet, auf dem sie so bewandert war. Wenn es ihr gelang, nicht mehr gegen die Pearl Street zu kämpfen, sondern für sie und gemeinsam mit ihr, dann---, nun, sie mußte zugeben, daß diese Aufgabe ihren besonderen Reiz hatte.
    Sie versuchte, am nächsten Morgen Dean davon zu erzählen.
    „Die Mädels lernen ein bißchen von all dem im Kochunterricht in der Schule, aber das reicht nicht aus“, erklärte sie ihm. „Ich erinnere mich, daß unsere Klasse nie über zwei Gerichte hinausgekommen ist: Kakao und Backpulverkekse. Wir waren 40 Schülerinnen und hatten nur zwölf Herdflammen, Wasserhähne und Spülsteine, und wer will schon tagtäglich Kakao und Backpulverkekse essen?“
    „Und was wirst du deinen Pflegebefohlenen beibringen?“ fragte er und lächelte amüsiert.
    „Nun, wie man Rühreier macht und zu jeder Hauptmahlzeit mindestens ein Gemüse reicht und wie man billiges Fleisch zart und schmackhaft zubereiten kann. Ich freue mich bereits mächtig auf meine Lehrtätigkeit und — hoffentlich — meinen Erfolg.“
    „Das sehe ich. - Kommst du Samstag abend mit mir tanzen?“
    Sie mußte erst einmal aufhören zu denken und dann umschalten.
    „Tanzen? Ist das eine Einladung?“
    „Sicher.“
    Sie freute sich, aber sie war trotzdem enttäuscht, daß er so wenig Interesse für ihre Pläne zeigte. Sie hatte gehofft, sie könne sein Verständnis wecken und er würde ihren Ehrgeiz und ihre Hoffnungen vielleicht teilen und auch begreifen, warum sie sich plötzlich für diese Straße einsetzte, deren sie sich bisher nur immer geschämt hatte. Aber sie spürte, daß sie ihn nicht erreichen konnte.
    „Das wäre nett“, sagte sie höflich. Ja, es war nett, mit Dean tanzen zu gehen, aber warum empfand sie diese unbefriedigende Leere, sobald sie auf eine Unterhaltung mit ihm angewiesen war? Auf der Tanzfläche war alles anders, da gaben sie beide zusammen ein vollkommenes Paar ab, aber im Gespräch redeten sie immer aneinander vorbei, und dadurch wurde jedes neue Treffen mit Dean für Kitty zu einer weiteren Enttäuschung.
    Denk nicht soviel darüber nach, riet sie sich selbst, gib dich der Freude am Tanz hin und halte alles unkompliziert und amüsant. Aber tief in ihrem Innern wußte sie bereits, daß sie sich eines Tages würde eingestehen müssen, daß Dean Tracy nicht derjenige war, den sie sich erträumt hatte. Sie konnte nicht mehr mit

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