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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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ganzen Abend Tabletts in der Gastwirtschaft umherzuschleppen“, fand sie, „ein wirklicher Festtag! Katherine, da wir gerade so gemütlich beisammensitzen, kannst du mir vielleicht verraten, was du für die Zukunft planst? Hast du immer noch Lust, Verkäuferin zu werden?“
    „Wenn ich eine Stelle ergattern kann, dann ja -— fürs erste zumindest. Morgen früh werde ich gleich einmal nachfragen. Ich habe gehört, daß man junge Mädel für die Warenhäuser sucht, aber ich weiß nicht, was sie zahlen wollen.“
    „Vermutlich Erdnüsse“, warf Danny altklug ein.
    Kitty sah ihn prüfend an. Er war nicht wie Thomas--zumindest noch nicht. Er ging gern in die Schule und brachte gute Noten heim. Außerdem hatte er seine bisherige Stelle als Zeitungsausträger kürzlich aufgegeben, um eine zwar härtere und zeitraubendere, aber dafür auch einträglichere Arbeit als Tellerwäscher anzunehmen, und zwar im gleichen Lokal, in dem Mutter als Kellnerin beschäftigt war. Aber Kitty hatte in letzter Zeit leider beobachtet, daß seine sonst stets heitere Stimmung mehr und mehr gedrückt wurde. Mutter merkte so etwas nicht. Sie sprach zwar recht gut Englisch für eine Frau, die in der Tschechei geboren und aufgewachsen war und kein Wort der Landessprache kannte, als sie kurz nach ihrer Verheiratung nach Amerika auswanderte. Aber sie war nie so weit gekommen, die feineren Nuancen der ihr noch immer fremd klingenden Worte unterscheiden oder gar den Slang verstehen zu können, in dem ihre Kinder sich auszudrücken gelernt hatten. Wäre sie mit Eifer und Interesse an das Sprachstudium herangegangen, dann hätte sie sicherlich noch viel dazulernen können, aber Mutter wurde mit jedem Jahr apathischer. Sie war nur nach Amerika gekommen, weil sie ihrem Mann hatte folgen wollen, und dieser neue Kontinent wirkte noch heute fremd und beängstigend auf sie; er ließ sich nun einmal nur von denen erobern, die ihm aggressiv und mit offenem Herzen entgegenkamen. Mutter aber fehlte dieser Schwung. Nur zweimal in ihrem Leben hatten die Kinder sie energisch gesehen: das eine Mal, als Thomas heimgekommen war und erklärt hatte, er ginge keinen Tag länger mehr zur Schule, und dann wieder, als Kitty sich erbot, vorzeitig ihre Studien aufzugeben, um länger arbeiten und darum mehr verdienen zu können. Offensichtlich lag Mutter die Bildung ihrer Kinder sehr am Herzen.
    „Prost, Kitty!“ riß Danny sie aus ihren Gedanken und hielt sein Glas in die Höhe, „prosit auf die nächste Miß Amerika und die zukünftige-Miß Universum!“
    „Halt deinen Rand und spinne nicht gar so laut!“ schalt Kitty ihn aus.
    „Nein, nein“, mischte Mutter sich ins Gespräch, „Danny hat nicht unrecht. Du wirst der Schwester deines Vaters, Tante Klara, immer ähnlicher, Kitty. Auch sie hatte sehr helle Haut und tiefschwarze Haare wie du. Und sie hat dann schließlich auch einen General erwischt und geheiratet--einen General, begreift ihr? Hm, allerdings möchte ich mir lieber nicht vorstellen, wie es ihr danach ergangen ist, nach all diesen Kriegen drüben in Europa...“
    „Na, dann aufs Wohl von Tante Klara!“ prostete Danny fröhlich weiter, „ich wußte gar nicht, daß wir eine Tante haben.“
    „Ihr stammt von einer guten Familie ab, Kinder, vergeßt das nie“, meinte Mutter ernst.
    „Du hättest auch zur Schulfeier kommen sollen, Danny“, lenkte Kitty ab, „es war wirklich in Ordnung, kein Auge blieb sozusagen trocken, und Dr. Harcourts Predigt war wieder einmal ’ne wahre Wolke.“
    „Predigt? Nun, wir hatten hier auch eine, eine ganz private“, erzählte Danny, „der Knülch aus dem Gemeindehaus beehrte uns mit seinem Besuch.“
    Kitty pfiff durch die Zähne.
    „War Thomas daheim, als er kam?“
    Danny nickte.
    Kitty zögerte, als denke sie angestrengt nach. Dann fragte sie, als wolle sie sich vorsichtig in ein gefährliches Gebiet vortasten: „Hat er zugehört, Danny?“
    Der Bruder zuckte die Achseln. Zwischen Kitty und ihm bestand eine tiefe Zuneigung. Die beiden waren in den vergangenen Jahren sehr viel aufeinander angewiesen gewesen, und die meisten Pflichten des Haushaltes hatten sie unter sich teilen müssen. Die Mutter arbeitete jede Nacht und kam erst gegen sechs oder sieben Uhr morgens heim; dann verschlief sie den größten Teil des Tages. Sie stand nur auf, um einmal in der Woche etwas sauber zu machen und dann wieder arbeiten zu gehen. So war Kitty es gewesen, die Dannys Knie verband, wenn er hingefallen war, oder die ihn in

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