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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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jetzt besser.“
    Sie wartete, bis er ihren Scheck herausgesucht hatte, und als sie den Betrag sah, weiteten sich ihre Augen vor Staunen. „Einundsiebzig Dollar! Al, kann das möglich sein? Für eine einzige Woche!“
    Er zwinkerte ihr über die Schulter zu. „Nicht schlecht!“ stimmte er zu und pfiff durch die Zähne.
    „Ich kann es einfach nicht glauben! Hat sich jemand verrechnet?“
    „Schauen Sie, Kitty“, erklärte er gutmütig, „Sie haben die Anlernzeit hinter sich, Sie arbeiten Nachtschicht und dazu auf der Sechstagebasis, und außerdem haben Sie nebenbei noch eine beachtliche Menge im Stücklohn geleistet. Sie können sicher sein, daß die Buchführungsabteilung sich niemals verrechnet. Sie haben das alles ehrlich verdient, Mädchen!“

    „Junge, Junge“, machte sie und war weiterhin sprachlos.
    Um zwei Uhr ging sie leichten Herzens in die Kantine und freute sich darauf, zu sehen, was Dean und Piccolo beim Stücklohn erreicht hatten. Sie wußte jetzt, wie sie sich Piccolo gegenüber verhalten würde: so übermütig und lustig wie nur irgend möglich wollte sie sich geben, wenn es ihr nur gelang, seinem direkten Blick ausweichen zu können.
    Aber Dean saß allein am Stammtisch. „Hallo“, rief er, „dein Scheck muß recht saftig ausgefallen sein; du strahlst ja wie ein brennender Weihnachtsbaum!“
    „Wo ist Piccolo?“ fragte sie und rutschte auf einen Stuhl.
    „Oh, Piccolo? Er hat auf gehört.“
    Sie runzelte die Stirn. „Aufgehört — mit was?“
    „Mit der Arbeit hier. Aus mit der Nachtschicht, aus mit den Fairfield-Plastik-Werken! Er hat Leine gezogen, der Schwächling! Hier siehst du den Gewinner im Kampf um die Muskeltrophäe!“
    Kitty konnte über seinen Witz nicht lachen. „Ich glaube es nicht“, murmelte sie langsam, „es ist nicht wahr!“
    „Und warum nicht?“ fragte er, erstaunt über ihren Gesichts -ausdruck.
    „Er war doch letzte Nacht noch hier--und heute---heute ist Zahltag--Warum in aller Welt hat er denn so lange durchgehalten, wenn er---? Es ist doch nur noch ein Monat, bis er --bis ihr beide...“
    „Ich hätte nicht gedacht, daß dich das alles so sehr interessieren würde“, versuchte Dean die peinliche Stimmung mit einem leichten Ton auszugleichen, aber seine Augen blickten verwirrt drein.
    „Ich wundere mich nur, das ist alles“, verteidigte sich Kitty, „es sieht Piccolo so gar nicht gleich.“
    „Und seit wann glaubst du ihn so genau zu kennen?“
    Kitty spürte den herausfordernden Ton in seiner Stimme. Er klang eifersüchtig und ein wenig grausam.
    „Nun, ich kenne ihn länger als dich“, antwortete sie und begegnete tapfer seinem Blick, „und ich mag ihn sehr gern.“
    „Das ist ja fein!“ bemerkte er mit einer deutlich fühlbaren Spitze.
    „Und warum kommt er nicht mehr?“
    „Warum fragst du ihn denn nicht lieber selbst?“ schlug Dean vor und schwang sich verärgert auf seinem Stuhl herum, um sie nicht mehr ansehen zu müssen.
    Kitty kümmerte es nicht. Ein Streit mit Dean gab ihr einen vorzüglichen Grund, sich mit ihm nicht mehr zu treffen. Seelenruhig kaute sie an ihrem Wurstbrot weiter und ordnete dabei ihre Gedanken und Gefühle. Als die Klingel schrillte, zerknüllte sie ihr Papier und stand auf.
    „Kitty!“ sprach er sie wütend an. „Hast du nichts weiter zu sagen?“
    „Nein.“ Sie drehte sich um und ließ ihn stehen. Aber sie fühlte nicht die Genugtuung, die sie erhofft hatte. Irgendwie kam sie sich erniedrigt vor. Dean mußte denken, sie sei beleidigt wie ein dummes Schulmädchen und dies alles sei ein billiger kleiner Krach unter Verliebten. Warum war sie nicht ehrlich, warum fand sie nicht den Mut, ihm klipp und klar zu sagen: Du bist ein netter Junge, Dean, aber du bist nicht für mich bestimmt. Piccolo ist tausendmal mehr wert als du. Aber Piccolo war nicht mehr da, er war verschwunden aus ihrer Welt, vielleicht für immer. Es geschah ihr recht, dachte sie zerknirscht, sie hatte ihn immer links liegen lassen und Dean angehimmelt, und jetzt, wo ihre Gefühle sich so grundlegend gewandelt hatten, war er gegangen.
    Al trat ihr in den Weg und rief: „Na, na, Tränen? Wieso?“
    „Ich--ich habe etwas im Auge“, flunkerte sie.
    „Jawoll, Sie haben etwas drin, stimmt schon. Tränen nämlich! Gehen Sie erst einmal in Ruhe in den Waschraum, und heulen Sie sich gründlich aus, ehe Sie mit der Arbeit beginnen; ich schaue mal wieder solange weg. — Weiber!“ Er steckte ihr ein sauberes Taschentuch zu und ging

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