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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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immerzu weiter all solche kleinen Extras aus eigener Tasche anschaffen“, rügte er, „erstens können Sie es sich nicht leisten, und zweitens ...“
    Clovis lachte Kitty zu. „Sehen Sie, wie er sich über zehn Cent für Ballons aufregen kann?“ Sie hatte eine wunderbare Stimme, tief und warm und sehr beruhigend.
    „Letzte Woche waren es Eiswaffeln und die Woche davor Pfeifen, und...“, vertrat Cy weiterhin seinen Standpunkt, aber Clovis ließ ihn ungerührt reden.
    „Sie müssen Kitty Boscz sein“, sagte sie warmherzig.
    Kitty nickte, denn ihre Zunge schien an ihren Zähnen festzukleben. Angesichts Clovis’ Persönlichkeit, ihrer weichen Stimme und dem gewinnenden Glanz ihrer Augen hatte Kitty das unangenehme Gefühl, daß ihre Absätze zu hoch, ihr Lippenstift zu rot und ihre Kleidung völlig unpassend und geschmacklos sei.
    „Ja, das bin ich“, murmelte sie schüchtern, „bitte, sagen Sie mir, was ich tun soll.“
    Clovis plauderte in ihrer klangvollen Mezzosopranstimme unbekümmert weiter. „Sie werden es nicht glauben, aber in diesem Wirbel existiert ein System. Wer die meisten Ballons fängt, darf später bei Tisch das Gebet sprechen.“
    „Beten...“ Kitty schnappte nach Luft. „Wollen Sie sagen, daß Beten der Preis ist?“
    Clovis lächelte. „Jawohl, Kitty, das ist der Preis, um den sie alle so schreien und strampeln und rennen. Unsere Aufgabe ist dabei, aufzupassen, daß keines der Kinder in dem Wettkampf umgeworfen wird.“
    „Aha!“
    „In ein paar Minuten wird es vorbei sein“, beschwichtigte Clovis, „dann werden Sie die kleinen Wilden näher kennenlernen. Wir haben jeden Tag etwa die gleichen Kinder hier.--
    Harry Hearn“, rief sie gebieterisch, „sofort nimmst du deinen Finger aus Pansy Beths Nase!“
    Ein kleiner Junge mit brandroten Haaren und einer Laufnase schaute erschrocken und sehr dumm auf, faltete seine Hände auf dem Rücken und wischte dann seine Nase am Jackenärmel ab.
    „Sie sind alle unter fünf“, erklärte Clovis, „ich lasse Sie ein paar Minuten mit ihnen allein, Kitty.“
    Es beeindruckte Kitty, daß keines der Kinder alt genug für die Schule war. Sie schaute über das Gewusel hin, auf all die kleinen Geschöpfe, braune und gelbe und weiße, die einzig und allein die Kraft ihrer Stimmen gemeinsam zu haben schienen, und sie fühlte sich restlos eingeschüchtert. Auf einmal hörte sie eine Pfeife schrillen, und sofort drängte sich die Schar mit ihren erhaschten Ballons um Clovis. Ein verwahrloster kleiner Wicht mit auf geschundenen Knien und gebrochenem Nasenbein war der Sieger. Stolz sagte er seinen Namen: Butch McCabe! McCabe..., konnte er Whip McCabes kleiner Bruder sein? überlegte Kitty. Whip war mehrere Male in die Zwangsanstalt geschickt worden. Und sein kleiner Bruder rannte sich dafür ab, das Tischgebet sprechen zu dürfen!? Diese Tatsache war sowohl rührend als auch humoristisch, je nachdem, wie man sie betrachten wollte.
    Mit ihrem gewinnenden Lächeln stellte nun Clovis ihre neue Helferin Kitty vor, und die Kinder begrüßten sie gehorsam im Chor, aber Kitty spürte, daß sie den Kleinen völlig unwichtig blieb. Clovis stand im Mittelpunkt, Clovis allein bedeutete den Kindern etwas, sie hatte ihre Herzen gewonnen. Sie taten alles, um sich einen anerkennenden Blick aus Clovis’ Augen zu verdienen oder von ihr gelobt zu werden.
    „Pause!“ hörte sie Clovis rufen, „holt eure Kissen, Buben und Mädel! Miß Boscz wird euch helfen!“
    Kitty tat ihr Bestes. Die Kinder hatten eine kurze Ruhepause auf dem Fußboden, und dann war Imbißzeit.

    Kitty und Clovis verteilten Becher mit verdünntem Fruchtsaft und dazu Kekse. Ehe sie sich’s versah, fand Kitty sich inmitten eines wißbegierigen Kreises eifriger Kinderaugen sitzen und die Geschichte von den drei kleinen Ferkeichen lesen, während Clovis unter ihrer Schar auf dem Boden saß und ebenso eifrig lauschte wie die Kleinen. —
    „Nun“, begann Clovis später, nachdem die Kinder sich in Gruppen um Spielzeuglastwagen, Puppen und Springseile geschart hatten, „glauben Sie, Sie mögen uns?“ Ihr Gesicht verbarg dabei nicht eine gewisse Sorge, denn es war schwer, freiwillige Hilfe zu finden, und noch schwerer, sie bei der Stange zu halten.
    „Es gefällt mir hier ausnehmend gut“, versicherte Kitty. Es war zwar nicht die reine Wahrheit, aber Kitty hatte sich vorgenommen, ihr selbstgewähltes Amt durchzustehen, wenn nicht aus andern Gründen, dann gewiß, um Clovis eine Freude zu machen.

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