Das Mädchen aus Mantua
es wird euch an nichts fehlen. Forscht mir nicht nach. Ich komme niemals zurück.« Mit diesen Worten verschwand er.
»Tja, es werden immer weniger«, meinte Arcangela. Sie ließ sich zitternd auf einen Stuhl fallen. »Eigentlich wollte ich gerade die frohe Botschaft verkünden, dass ich noch bleibe. Aber ich weiß nicht, ob das unter diesen Umständen ratsam wäre.« Sie musterte Tante Marta, als könne diese im nächsten Augenblick aufspringen und sie beißen. Dann wandte sie sich hilfesuchend an Celestina. »Weißt du, ich hätte das nie für möglich gehalten. Aber in diesem Moment wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass Mutter kommen möge.«
In derselben Nacht
Stunden später, zurück in ihrer eigenen Kammer, fragte Celestina nach einigem Grübeln ihre Stiefschwester: »Ob die Männer sich abgesprochen hatten?«
»Du meinst, weil sie alle in dieser Nacht abgereist sind? Nicht direkt, aber es kommt dem nahe. Gentile erzählte mir vorhin vor seinem Aufbruch, er habe Guido vor ein paar Wochen gesagt, dass er fort will. Das brachte Guido auf den Gedanken, dasselbe zu tun. Er hat sich das nötige Geld beschafft, sich dann vor ein paar Tagen mit Giovanni getroffen und alles für seinen eigenen Abgang in die Wege geleitet, den er heute mit großem Eklat inszeniert hat, um seiner Schwester zum Abschied noch eins auszuwischen. Dass Onkel Lodovico ebenfalls heute Nacht abgereist ist, war allerdings Zufall. Obwohl – vielleicht auch nicht. Ich denke, Onkel Lodovico hatte kommen sehen, dass Gentile weg wollte. Er selbst hatte wohl auch schon lange die Nase voll. Außerdem hatte er sich all diesen Reisebedarf beschafft, wahrscheinlich wollte er einfach nicht der Letzte sein.« Sie schüttelte erneut den Kopf. »Gentile Bertolucci und Brodata Caliari! Wer hätte das gedacht! Aber ich finde, die zwei passen zusammen, was meinst du?«
Celestina stimmte ihr zu. Dass die beiden, um ihre Liebe zu leben, fortgehen mussten, unterlag keinem Zweifel. Alberto hätte Brodata eher getötet, als zuzulassen, dass sie einen Bertolucci heiratete. In Celestinas Magengrube zog sich ein Knoten zusammen, wenn sie an Hieronimo dachte. Glaubte er ernsthaft, sein Vater würde zur Besinnung kommen und seinen unsinnigen Hass aufgeben, so wie er selbst es getan hatte? Ob nun damals Lodovico das Messer geführt hatte oder Marta – für Alberto war das einerlei. Aus seiner Sicht kam alles Übel von den Bertolucci.
Als wüsste Arcangela, woran sie dachte, fragte sie: »Meinst du, Vitale ist sehr böse, wenn ich jetzt doch mit dir und Mutter nach Venedig zurückkehre? Er wird bestimmt verstehen, dass ich nicht mit einer Mörderin unter einem Dach leben kann, oder?«
»Du wirst ihm doch wohl nicht sagen, dass Tante Marta den Mord auf dem Gewissen hat! Es ist viele Jahre her, und sie ist sehr krank. Man würde sie in den Kerker stecken und ihr nach ein paar Wochen, wenn das Gerichtsverfahren vorbei ist, den Kopf abschlagen oder sie aufhängen.«
Arcangela erschauderte. »Käme sie auch in die Anatomie?«
»Nein, da kommen nur Ortsfremde hin.«
»Ach so, ja. Das hatte ich vergessen. Und nein, wo denkst du hin, ich werde sie doch nicht verraten, schließlich hat sie uns monatelang durchgefüttert. Auch wenn es manchmal eine ganz schöne Schikane war, vor allem für dich.«
»Sie ist die Schwester meines Vaters.«
»Ja, ja, das erwähntest du schon. Und dass ihr Sohn und ihr Mann sie verlassen haben, ist Strafe genug für sie.« Arcangela dachte nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann trotzdem nicht hierbleiben. Es würde in Mord und Totschlag enden.«
»Sie wird dir bestimmt nichts tun!«
»Natürlich nicht, wo denkst du hin. Außerdem kann ich auswärts essen und trinken und nachts meine Tür abschließen. Nein, das meine ich nicht. Sondern die Sache mit Vitale und Galeazzo. Ich kann von beiden nicht lassen.«
»In Venedig hättest du keinen von ihnen.«
Arcangela zuckte die Achseln. »Wer weiß, vielleicht lerne ich neue Männer kennen. Schau doch nur, wie schnell es hier gegangen ist! Schon am ersten Tag habe ich mich verliebt! Sogar gleich in zwei Prachtburschen!«
Celestina musste grinsen, obwohl die ganze Situation alles andere als erheiternd war. Bevor sie einschlief, dachte sie daran, wie leicht es für den männlichen Teil der Familie Bertolucci mit einem Mal geworden war. Sie waren ihren Problemen einfach entflohen.
Ihr Schlaf war von unruhigen Träumen erfüllt, in denen Alberto Caliari aus seinem Rollstuhl
Weitere Kostenlose Bücher