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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Timoteo, mühsam seine Wut bezähmend.
    »Warum läuft er davon?«
    »Vielleicht verabscheut er es, dass du seiner Schwester nachstellst.«
    Hieronimo runzelte die Stirn. »Von Nachstellen kann keine Rede sein. Ich umwerbe sie mit der Erlaubnis ihres Onkels und will um ihre Hand anhalten.«
    Timoteo konnte sich nicht länger beherrschen, der Zorn übermannte ihn. »Du sollst sie verdammt noch mal in Ruhe lassen!«, brüllte er. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte mit Riesenschritten davon. Er blickte nicht zurück.
    Celestina taten die Füße weh, und sie war völlig durchgefroren, als sie sich wieder in die Nähe des Spitals wagte. Bis sie sich endlich umgezogen hatte und mit ihrem Korb am Arm den Heimweg antreten konnte, war es bereits dunkel geworden. Peinlicherweise kam es zu einer weiteren unerwünschten Begegnung, denn Schwester Deodata lief ihr auf dem Vorplatz über den Weg. Celestina grüßte sie höflich, doch die Nonne ging einfach wortlos an ihr vorbei.
    Celestina beeilte sich, nach Hause zu kommen, in der Hoffnung auf einen friedlichen Abend. Doch daraus wurde nichts, wie sie gleich beim Betreten des Vestibüls bemerkte. Morosina, die ihr die Tür geöffnet hatte, empfing sie händeringend und deutete hinauf zum Obergeschoss, aus dem durchdringendes Heulen herabschallte.
    »Madonna, es gibt furchtbaren Streit! Bitte geht hinauf und versucht zu schlichten!«
    Die ganze Familie hatte sich im Wohngemach versammelt, sogar Marta war aufgestanden und hatte sich dorthin geschleppt. In den letzten Tagen hatte sie sich etwas erholt, für Celestina, die strikt darüber wachte, was die Tante zu sich nahm, der schlagende Beweis, dass ihr Gift beigebracht worden war.
    Marta saß beim Kamin, hinter sich Immaculata, die beide Hände auf die Sessellehne gelegt hatte; es sah aus, als hätte Marta, die alle Anzeichen eines Schocks zeigte, einen Raben auf den Schultern sitzen.
    Lodovico ging rastlos im Zimmer auf und ab, die Arme vor der Brust verschränkt, als wolle er alles Unangenehme von sich fernhalten. Sein Gesicht war vom Grübeln gefurcht, er wirkte, als hätte er alles satt bis zum Überdruss.
    Sein Bruder Gentile hatte sich auf einen Stuhl geflegelt, beide Beine von sich gestreckt und die Brauen hochgezogen, sein üblicher sarkastischer Ausdruck.
    Guido stand steif aufgerichtet da, seine Miene war von Hass verzerrt.
    Arcangela war ebenfalls anwesend, sie empfing Celestina mit frustrierter Miene und verdrehte bezeichnend die Augen in Richtung Chiara, von der das Heulen kam. Das Mädchen war mitten im Zimmer auf die Knie gesunken, als wolle sie eine Opfergabe darbringen, nur dass in diesem Falle sie selbst das Opfer war. Sie schluchzte in ihre offenen Hände, und ihre Gestalt, die in dem unlängst erworbenen rosa Kleid steckte, wölbte sich infolge der knienden Position durch den steifen Verdugado auf wenig ersprießliche Weise nach hinten, sie hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit einem schlachtreifen Schwein; Celestinas Mutter würde bei diesem Anblick sagen, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fiele. Celestina schalt sich für den despektierlichen Gedanken. Sie eilte auf Chiara zu und zog sie an beiden Händen hoch. »Was ist denn, Kind?«
    Chiara stieß ein weiteres durchdringendes Heulen aus, dann deutete sie anklagend auf ihren Bruder. »Er will ihn mir wegnehmen!«
    »Wen?«
    »Giovanni! Ich liebe ihn und will ihn heiraten, und er sagt, dass es nicht geht. Aber das sagt er nur, weil er es nicht will. Weil er ihn für sich selbst möchte!«
    »Du dumme Gans«, schrie Guido. »Er würde dich niemals heiraten, und wenn du die letzte Frau auf Erden wärst!«
    »Aber ich bekomme sein Kind!«, schrie Chiara zurück.
    Marta gab ein ersticktes Schluchzen von sich, und Immaculata tätschelte beruhigend ihre Schulter.
    »Das ist nur passiert, weil du dich ihm an den Hals geworfen hast!«, rief Guido zornig. »Diese Sache mit dir … er war verblendet! Das hat er selbst zu mir gesagt!« Seine Hände öffneten und schlossen sich, als würde er sie gern um den Hals seiner Schwester legen und kräftig zudrücken.
    »Du kannst reden, so viel du willst«, sagte Chiara unter Tränen. Sie wischte sich ruckartig das Gesicht ab, dann hob sie trotzig den Kopf. »Papa und Onkel Gentile werden schon dafür sorgen, dass Giovanni das Richtige tut. Er wird eine ehrbare Frau aus mir machen.«
    »Er wird überhaupt nichts tun«, versetzte Guido höhnisch. »Er hat sich nämlich gestern eingeschifft, er verlässt die

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