Das Mädchen aus Mantua
Republik.«
Chiara erbleichte. »Du lügst, du gemeiner Kerl!«
Guido schüttelte triumphierend den Kopf. »Das tue ich nicht. Und weißt du was? Ich reise ihm hinterher. Es ist schon alles ausgemacht. Ich muss nur noch packen, dann bin ich weg.«
Tante Marta stieß einen spitzen Schrei aus. »Das kannst du nicht tun!«
Guido schnaubte nur verächtlich. Er warf den Kopf zurück und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Marta begann haltlos zu schluchzen, ein unheimliches Duett, im Gleichklang mit ihrer Tochter, die ebenfalls markerschütternd laut heulte.
Gentile stand von seinem Stuhl auf und zog sich das sonnengelbe Wams gerade. »Nun«, sagte er gelassen, »da wir offenbar dabei sind, reinen Tisch zu machen, schließe ich mich an. Ich gehe ebenfalls fort.«
Marta verschluckte sich mitten im Weinen, und auch Chiara hielt inne mit ihrem Geheul. Alle blickten Gentile konsterniert an. Nur Lodovico wirkte, als hätte er es schon gewusst.
»Fort?«, echote Chiara mit kläglicher Stimme. »Wann denn?«
»Ich habe schon gepackt und fahre heute Abend mit der letzten Kutsche. Mein Schiff geht in drei Tagen.«
»Aber wohin willst du denn?«
Gentile zuckte die Achseln. »Zuerst nach Genua. Und von dort – mal sehen. Wohin der Wind uns treibt.«
»Uns?«
Gentile lächelte. »Oh, das vergaß ich zu erwähnen. Ich reise mit Brodata Caliari. Wir haben uns gestern trauen lassen.« Er hob die Hand. »Lebt wohl, ihr Lieben.«
Marta verfolgte fassungslos, wie ihr Schwager den Raum verließ.
»Weg mit Schaden«, sagte die alte Immaculata verächtlich.
Lodovico straffte sich. »Ich gehe auch«, entfuhr es ihm. »Mein Gepäck habe ich letzte Nacht schon vorausgeschickt.«
»Jetzt weiß ich auch, was das für ein Krach im Treppenhaus war«, sagte Arcangela.
Marta bekam einen Erstickungsanfall, und Immaculata musste ihr zwischen die Schulterblätter schlagen, damit sie wieder anfing zu atmen. Chiara schluchzte erschrocken auf. »Aber Vater! Wir lieben dich doch!«
»Du liebst nur deine neuen Kleider«, beschied er sie unbeeindruckt. Er hatte sich offenbar gefangen, seine Stimme klang fest. Sein Entschluss war unumstößlich, er hatte lediglich den Moment gefürchtet, in dem er ihn kundtun musste »Eigentlich wollte ich schon weg sein«, fuhr er fort. »Doch dann hielt ich es für angeraten, mich zu verabschieden. Was ich hiermit tue.«
Marta ließ einen gequälten Aufschrei hören. »Nein! Du kannst mich nicht verlassen!«
»Ich kann und ich werde.«
»Aber dann wäre alles umsonst gewesen! Ich habe doch nur für dich …«
»Das viele Gift geschluckt?« Er schüttelte den Kopf. »Glaub mir, ich hätte es dir gerne erspart. Sicher hätte ich es, wenn es mir nur früher klar geworden wäre. Aber ich Trottel glaubte die ganze Zeit, du seist ernstlich krank und ich somit verpflichtet, bei dir auszuharren. Doch unsere Nichte hat mir die Augen geöffnet.« Er nickte Celestina dankend zu, die sich in keiner Weise bewusst war, zu dieser Erkenntnis beigetragen zu haben.
»Ihre Unterstellungen und Anschuldigungen brachten mich schließlich auf die richtige Spur.«
»Sie hat sich selbst das Gift verabfolgt, um krank zu werden und dich damit an sich zu binden?«, fragte Celestina ungläubig. Sie wandte sich Großtante Immaculata zu. »Und du hast ihr geholfen!«
Die Alte verzog keine Miene. »Ich wollte immer nur das Beste für Marta. Und leider hat sie sich eingebildet, das Beste sei dieser Versager da.« Sie zeigte mit ihrem knochigen Finger auf Lodovico. »Sie würde alles tun, um ihn zu halten, egal ob sie sich dafür selber umbringen muss oder andere.«
Ihre letzten Worte hingen wie tropfendes Blei im Raum, zäh und giftig.
Alle Blicke richteten sich auf Marta, die bleich und zusammengesunken in ihrem Lehnstuhl saß.
»O mein Gott«, flüsterte Lodovico. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
»Sieh mich nicht so an!«, rief Marta bebend. »Ich tat es nur für dich! Du hast dir lediglich eingebildet, diese Caliari-Schlampe zu lieben! Sie war doch nichts für dich, mit zwei kleinen Söhnen und einem Ehemann! Was wolltest du denn mit der?«
»Mutter?«, fragte Chiara verunsichert.
Lodovico blickte seine Frau durchdringend an. In seinem Gesicht arbeitete es, sein Ausdruck wechselte zwischen Entsetzen, Hass und Mitleid. Schließlich wandte er sich ab und ging zur Tür. »Es ist für alles gesorgt. Ich habe nur das Nötigste an Geld für mich genommen. Das Geschäft ist in guten Händen,
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