Das Mädchen aus Mantua
trennten, hatte er ihr erklärt, wie es vonstatten gehen sollte.
Es klang, als hätte es Hand und Fuß, jedenfalls eher als ihr eigener Plan, der eher plump als raffiniert war, da er bis dahin lediglich darin bestand, dass sie in Männerkleidung und versehen mit ihren gefälschten Dokumenten ins Kontor des Pedells marschierte, um sich einzuschreiben. Ob diese Fälschungen näherer Prüfung standhielten, wusste der Himmel. Gerade das war jedoch entscheidend, und die Möglichkeit des Fehlschlags hing über ihr wie ein Damoklesschwert. Schon bei Vorlage der Papiere konnte sie scheitern; über die Konsequenzen wollte sie lieber nicht nachdenken.
Während eines Schenkenbesuchs hatte sie zwei Studenten ausgefragt. Bei dem einen, der aus Padua stammte, hatte es keine großen Formalitäten gegeben, bei dem anderen, der von Genua zugereist war, hatte der Pedell alle Unterlagen, vom Taufschein über das Zeugnis der Lateinschule bis hin zur Aufenthaltsbewilligung, doppelt und dreifach geprüft.
»Am schnellsten geht es mit einer Empfehlung von höherer Stelle«, hatte der Genuese gesagt. »Da wird überhaupt nichts geprüft.«
Für eine solche Empfehlung wollte Frater Silvano heute Sorge tragen. Er hatte Celestina genauestens instruiert. Sie musste nur zeigen, was sie konnte. Sofern sie es denn hinbekam vor lauter Nervosität. Ihre Sorge, alles zu verderben, wurde fast übermächtig.
Celestina legte sorgfältig die Frauenkleidung in den Korb und schob diesen unter das Schreibpult, anschließend trat sie auf den Gang hinaus. Der Mönch musterte sie aufmerksam. »Ihr geht leicht als siebzehnjähriger Knabe durch. Macht Euch deswegen keine Gedanken. Es wird schon alles gutgehen.«
Er reichte ihr den Schlüssel. »Damit könnt Ihr hier durch die Hintertür ein und aus gehen. Ich habe ebenfalls einen. Schließt wieder ab, wenn Ihr das Hospital verlasst.« Fragend sah er sie an. »Es kann losgehen. Seid Ihr bereit?«
Ihr Nicken fiel alles andere als entschieden aus.
Celestina hatte schon in Mantua sowie in Venedig Spitäler besucht, eine solche Einrichtung war nichts Neues für sie. Jacopo hatte oft dort zu tun gehabt. Der Stadtphysicus von Mantua war einer seiner Freunde gewesen und hatte ihn häufig bei Operationen hinzugezogen. Manche Patienten wünschten von sich aus eine Behandlung durch Jacopo Ruzzini, denn unter allen studierten Ärzten war er einer der wenigen, die auch als Chirurgen arbeiteten und auf diese Weise theoretische Erkenntnisse mit praktischem Geschick verbanden. Celestina hatte ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit begleitet, ihn genau bei allen Eingriffen beobachtet, sich jeden Handgriff eingeprägt und alles gelernt, was er ihr beibringen konnte. Immer, wenn es möglich war, assistierte sie ihm, und einige Male hatte sie auch selbst das Messer führen dürfen. Sie hatte unter Jacopos Aufsicht mehrere schwierige Geburten betreut, einen Hodentumor entfernt und ein feststeckendes Geschoss aus einem Hüftknochen gezogen. Auch bei zwei Schädeloperationen hatte sie ihm helfen dürfen, und einmal auch bei der Amputation eines brandigen Beines. Ganze drei Mal gar hatte sie in seinem Beisein nach einer neuartigen Methode eigenhändig einen Blasenstein entfernt. Hinterher fühlte sie sich jedes Mal wie berauscht. Es gab nichts, was dem gleichkam.
Jacopo hatte sie aufgezogen. »Jetzt weiß ich, warum du mich geheiratet hast. Nicht aus Liebe, sondern weil du mit dem Skalpell arbeiten willst.«
Sie hatte gelacht, doch hatte in dem Scherz nicht wenig Ernst gesteckt. Sie liebte ihren Mann, aber ein Teil dieser Liebe lag darin begründet, dass er ein begnadeter Arzt war.
Himmel, er fehlte ihr so!
»Der Krankensaal«, sagte Frater Silvano.
Unvermittelt aus ihren Gedanken gerissen, brauchte Celestina einen Moment, um sich auf die Umgebung zu besinnen.
Der Mönch hatte sie in einen weiträumigen Saal geführt, der mindestens fünfzig Schritte in der Länge maß, wenn nicht mehr. Hohe Fenster öffneten sich auf einen Innenhof und ließen Luft und Licht herein. Davor waren an den Längswänden in gerader Reihe die Betten angeordnet, mehrere Dutzend an der Zahl. Es waren stabile Lagerstätten, ausreichend hoch und mit festen Pfosten versehen, nicht zu vergleichen mit den primitiven niedrigen Pritschen, die Celestina schon in anderen Spitälern gesehen hatte. Laken und Überdecken sahen frisch und ordentlich aus. Insgesamt vermittelte der große Raum den Eindruck gepflegter Sauberkeit. Mehrere Pflegerinnen und
Weitere Kostenlose Bücher