Das Mädchen aus Mantua
entsprechende Ausstattung. Sie würde sich notgedrungen, was die Bekleidung betraf, in die dritte Gruppe Studenten einreihen – die armen Schlucker, die für eleganten Schnickschnack keinen Soldo übrig hatten. Sie trugen keine gebörtelten Radkragen, keine feinen Lederschuhe, keine bestickten Westen mit seidenen Schnüren. Sie konnten froh sein, wenn ihre Bekleidung solide und haltbar war und keine Löcher oder Risse aufwies.
Immerhin waren auch diese Studenten nicht gerade eine Seltenheit. Es gab genug unter ihnen, die sich die Ausbildung nur unter Entbehrungen leisten konnten. Nicht jeder kam in den Genuss eines Stipendiums, genauso wenig wie sie selbst.
Mit dem, was Jacopo ihr hinterlassen hatte, musste sie haushalten, und das, was ihre Mutter ihr zukommen ließ, langte gerade, um ihre Frauenkleidung auf einem ordentlichen Stand zu halten. Auch wenn es ihr gelang, sich im Spital ein paar Soldi hinzuzuverdienen, würde das nicht reichen, sich einen Fundus ansehnlicher Herrenkleidung anzuschaffen, sondern höchstens für das Nötigste. Von den Kosten der Promotion, die beträchtlich sein sollten, ganz zu schweigen. Aber so weit in die Zukunft wollte sie – durfte sie! – jetzt noch nicht denken. Zunächst musste sie die größte Hürde hinter sich bringen: die Immatrikulation!
»Hast du es dir anders überlegt?«, wollte Arcangela wissen. Sie stand vor dem Spiegel und bürstete ihr Haar. Das Licht der eben aufgegangenen Sonne überzog ihre Locken mit strahlendem Kupferglanz.
Draußen krähte ein Hahn, es war so laut, dass Celestina den Schuh fallen ließ, den sie gerade betrachtet hatte, als berge er eine Aussicht auf ihre ungewisse Zukunft. Mit zitternden Fingern hob sie ihn wieder auf und packte ihn zusammen mit den übrigen Sachen und einem vorbereiteten Proviantsäckchen zurück in den Beutel, welchen sie in einen Henkelkorb legte.
»Natürlich habe ich es mir nicht anders überlegt«, sagte sie gereizt. »Was glaubst du, warum ich seit Wochen all diese Anstrengungen unternommen habe? Um so dicht vor dem Ziel aufzugeben?«
»Na ja, Ziel kann man es nicht gerade nennen. Das erreichst du ja erst mit dem Examen. Oder sehe ich das falsch?«
Celestina zuckte abermals zusammen. Gedanken an Prüfungen hatte sie bisher erfolgreich verdrängt. Dabei war auch das von nicht zu unterschätzender Bedeutung! Woher wollte sie wissen, ob sie die Nervenkraft dafür besaß! Von dem nötigen akademischen Wissen ganz zu schweigen! Und was, wenn ihr während der Disputation die Worte wegblieben?
Arcangela legte die Bürste weg und drückte Celestina an sich. »Du schaffst es! Hauptsache, du lässt dich von den Kerlen nicht ins Bockshorn jagen. So viel wie die weißt du schon lange! Und im Denken bist du allemal schneller als jeder Mann, den ich bislang kennengelernt habe. Vielleicht abgesehen von Jacopo, aber der war ja auch doppelt so alt wie du und wusste schon alles.«
Celestina stülpte ihre Haube über und nahm den Beutel. »Wünsch mir Glück.«
Arcangela küsste sie auf die Wange. »Pass auf dich auf!«
Celestina atmete tief durch, dann machte sie sich auf den Weg. Das Haus lag in morgendlicher Stille, nur aus der Küche war schwach das Rumoren der Mägde zu hören. Celestina zog flüchtig in Erwägung, noch rasch einen Happen zu sich zu nehmen, denn sie wusste nicht, wann sie das nächste Mal Zeit dafür haben würde. Doch allein der Gedanke an Essen krampfte ihr den Magen zusammen. Ein paar Bissen von dem Brot, das sie eingepackt hatte, würden reichen. Sofern sie überhaupt in absehbarer Zeit hungrig war.
Draußen war es frisch, von der Hitze, die der Tag bringen würde, war noch nichts zu spüren. In den Gassen und auf den Plätzen der Stadt herrschte bereits Betrieb. Marktstände wurden aufgebaut und mit frischen Waren bestückt, Eselskarren rumpelten über das Pflaster, Tagelöhner strebten zur Arbeit. Niemand achtete auf die junge Frau, die mit gesenktem Kopf vorbeieilte und dabei den Korb, den sie mit sich führte, fest umklammert hielt.
Wie mit Frater Silvano ausgemacht, erreichte sie kurz vor dem Primläuten das Ospedale San Francesco, das sich mitten in der Stadt befand.
Vor knapp zweihundert Jahren von mildtätigen Stiftern erbaut, bildete das Hospital zusammen mit dem angrenzenden Franziskanerkloster und dem dazugehörigen Gotteshaus einen kompakten Gebäudekomplex, aus dem der Kirchturm hervorragte wie ein mahnender Finger aus einer Faust.
Vor den Torbögen des Konvents blieb Celestina
Weitere Kostenlose Bücher