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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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einer ungesunden Lebensweise.
    »Ist es so weit?«, fragte er ängstlich.
    Der Mönch nickte. »Sobald der Professor und die Scholaren hier sind.«
    Der Mann deutete auf Celestina. »Ist das der Bursche, der das Messer führen soll? Er sieht aus, als wäre er noch ziemlich grün hinter den Ohren.«
    »Er hat sein Handwerk bei einem der besten Chirurgen des Landes gelernt.«
    »Das habt Ihr mir schon erzählt. Allein, es fällt schwer, daran zu glauben.«
    »Der Amtsphysikus würde ihn nicht schneiden lassen, wenn nicht feststünde, dass er sein Fach beherrscht.«
    Celestina musterte ihre Fußspitzen. Ob der Amtsphysikus diesem Vorhaben zugestimmt hatte, war höchst zweifelhaft. Wenn überhaupt, dann nur in Form einer allgemeinen Genehmigung, die er Frater Silvano für die Durchführung aller notwendig erscheinenden Behandlungen erteilt hatte. Der Mönch hatte ihr erzählt, dass der amtlich bestellte Physikus sich höchst selten im Krankensaal blicken ließ. Er behandelte lieber betuchtere Patienten auf privater Basis als die zumeist deutlich ärmeren im Spital. In den letzten Wochen war er überhaupt nicht aufgetaucht, er litt offiziell an Gallenbeschwerden.
    Celestina versuchte, sich gegen die wachsende Beklommenheit zu wappnen, als zwei Pfleger eine spanische Wand herbeischleppten und damit das Bett des Patienten von den übrigen abschirmten. Wenig später kehrte auch Schwester Deodata zurück. Sie stellte eine Schale mit sauberen Leinenkompressen und einem Schwamm auf einem Tisch ab, auf dem auch bereits diverse Operationsgerätschaften bereitlagen.
    Durch die offene Tür am Ende des Saals waren Stimmen zu hören, und gleich darauf betrat eine Gruppe von knapp zwei Dutzend junger Männer den Raum, allen voran ein kräftig gebauter älterer Herr. Er trug ein Gewand aus schlichtem dunklem Tuch, doch sein selbstbewusstes Auftreten zeugte von seiner gehobenen Stellung.
    Unter den Scholaren befand sich zu Celestinas Unbehagen auch Timoteo Caliari. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass er ebenfalls erscheinen würde; schließlich gehörte er als Student der medizinischen Fakultät an. Nach allem, was sie bisher über ihn gehört hatte, besuchte er regelmäßig die Vorlesungen und sonstigen akademischen Veranstaltungen, folglich nahm er auch an den Lehrvisiten im Spital teil.
    Bei ihm waren wie üblich sein englischer Kommilitone William Harvey und der rothaarige Galeazzo da Ponte.
    »He, Marino«, rief Galeazzo überrascht und erfreut, als er Celestina sah. »Was tust du denn hier?«
    Timoteo wirkte ebenfalls höchst erstaunt. Er zog fragend die Brauen hoch und blickte sie an, als warte er auf eine Erklärung.
    Unterdessen ging Frater Silvano auf den Leiter der Besuchergruppe zu und verneigte sich knapp. »Professor. Es ist alles vorbereitet.«
    Das also war der berühmte Anatomieprofessor. Girolamo Fabrizio d’Acquapendente. Celestina betrachtete ihn unter der gesenkten Krempe ihrer Kappe hervor. Eine riesige Faust schien ihre Eingeweide zu zerquetschen. Wie sollte sie das um Himmels willen durchstehen?
    Der Professor wandte sich an seine Studenten. »Hier nun die versprochene Überraschung, meine Herren. Frater Silvano wird heute in unserem Beisein einen Blasenstein extrahieren.«
    Aufgeregtes Stimmengewirr erhob sich, als alle Studenten anfingen, durcheinanderzureden und Fragen zu stellen. Der eine oder andere ließ eine launige Bemerkung fallen, etwa, dass dieser Tag ja blutig beginne oder dass man sich, hätte man das geahnt, besser erst nach der Visite zum Frühstück begeben hätte.
    »Frater Silvano hat, wie die meisten unter Euch vielleicht schon wissen, mehrere Jahre als Wundarzt Dienst bei der Truppe getan, bevor er nach Padua zu den Franziskanern kam und hier im Spital seine Chirurgenkünste weiter schulte. In früheren Jahren wohnte er häufig den anatomischen Sektionen unseres Instituts bei, doch mittlerweile kann er dort nichts Neues mehr erfahren, außerdem lassen ihm seine Aufgaben in der Chirurgie des Spitals und der klösterlichen Verwaltung kaum noch Zeit.« Professor Fabrizio blickte den Mönch mit Respekt und Sympathie an. »Um so mehr ist wertzuschätzen, dass er uns Gelegenheit gibt, von seiner Arbeit zu lernen. Erst die praktische Beschäftigung mit dem Kranken macht den guten Arzt aus. Alle akademische Lehre bleibt nutzlose Theorie, wenn sie nicht mit der Anwendung in der Wirklichkeit ausgefüllt werden kann. In diesem Sinne, meine Herren Studiosi: Tretet näher und richtet Euer Augenmerk

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