Das Mädchen aus Mantua
in Richtung der Schankmagd. »Noch einen! Und einen für meinen guten Freund Timoteo!«
Timoteo hielt ihre Hand fest. »Nicht. Du hast genug, Kleiner.«
Sie wandte sich ihm zu. »Wo-woher willst du das wi-wissen?«
Er lächelte sie nachsichtig an. »Erfahrung. Glaub mir, dein Kopf wird sich auch ohne ein letztes Bier morgen anfühlen wie ein Amboss unter dem Schmiedehammer. Komm, ich bring dich heim.« Er stand auf und zog sie hoch, während er mit der anderen Hand ein paar Münzen auf den Tisch warf.
»Ich kann selbst be-bezahlen.« Linkisch nestelte sie an ihrem Gürtel herum, doch die dumme Börse ließ sich nicht öffnen.
»Du kannst mich das nächste Mal einladen«, schlug er vor.
»Gut«, sagte sie besänftigt.
Sie hatte das Gefühl, dass der Boden sich hob, als sie versuchte, ohne hinzufallen zur Tür zu gehen. Timoteo fasste sie beim Arm und hielt sie aufrecht, doch er konnte nicht verhindern, dass sie mehrmals über ihre eigenen Füße stolperte.
Draußen auf der Gasse stimmte sie ein Lied an, das sie schon öfter gehört hatte, aber selbst nie zu singen gewagt hatte, weil es schlicht und ergreifend unzüchtig war. Jetzt fand sie es mit einem Mal gar nicht mehr besonders unanständig, es kam ihr einfach nur lustig vor.
Dasselbe fand Timoteo auch, denn er brummte den Refrain mit und half ihr mit dem Text aus, als sie die zweite Strophe nicht mehr vollständig zusammenbekam.
Galeazzo gesellte sich zu ihnen, er hatte ein Windlicht angezündet und stützte Celestina an der anderen Seite, und so traten sie zu dritt den Heimweg an.
Als sie sich dem Anwesen der Bertolucci näherten, legte Galeazzo Celestina die Hand auf den Mund. »Besser, du singst jetzt nicht mehr, Kleiner. Du könntest sie sonst alle aufscheuchen mit diesem Radau, und du weißt ja, wie reizbar die Männer in deiner Familie sind.«
»Ei-Eigentlich sind sie gar nicht so übel«, nuschelte Celestina. »Mir kommen sie nicht b-böse vor.«
»Darüber wollen wir jetzt besser nicht debattieren«, sagte Galeazzo. Nachdenklich musterte er das Rosenspalier. »Dieser Weg kommt heute wohl nicht infrage, was?«
»Oh, in-in-zwi-zwi…«
»Inzwischen?«, warf Timoteo ein.
Celestina nickte dankbar. »Genau. Inzwi… Also m-mittlerweile gehe ich durch die Tür. Arca… Ar…«
»Arcangela? Sie öffnet dir die Tür, wenn du dich bemerkbar machst?«
Celestina nickte wieder, diesmal heftiger. Sie merkte, dass ihr die Kappe vom Kopf zu rutschen drohte und hielt sie hastig mit beiden Händen fest.
»Nun, und wie machst du dich bemerkbar?«
Das war leicht. Celestina bückte sich und las einige Steinchen auf. Als sie sich wieder aufrichten wollte, stieß sie mit dem Kopf gegen Timoteos Hüfte, worauf sie abermals beinahe die Kappe verlor. Hastig und mit einer Hand zupfte sie das vermaledeite Ding zurecht, während sie mit der anderen bereits ausholte, um die Steinchen gegen das Fenster von ihrem und Arcangelas Schlafzimmer zu schleudern. Die meisten trafen die Mauer. Zwei oder drei prallten gegen eines der Erdgeschossfenster. Anscheinend hatte das Bier ihre Treffsicherheit ruiniert.
»Oh«, sagte Celestina erstaunt, dann kicherte sie haltlos. »Na so was. Beim letzten Mal klappte es noch. Und beim vorletzten Mal auch.«
»Du wirfst wie ein Mädchen«, tadelte Timoteo sie. »Lass mich das machen.«
Er warf ein einzelnes Steinchen und traf zielsicher den Fensterladen im oberen Schlafzimmer.
Gleich darauf tat sich knarrend der Laden auf, und umhüllt von Kerzenlicht ließ sich Arcangela blicken.
Mit gedämpfter Stimme rief sie: »Bist du das, Ce … Galeazzo!?«
»Wir bringen nur Euren Bruder, Madonna«, sagte Galeazzo rasch.
»Sie wo-wollten nur’n Lied mit mir singen«, erklärte Celestina. »Un’ ham geholfen, die Steine zu werfen.«
»Schweig! Du weckst noch alle! Warte, ich komme runter.«
Wenig später ging die Tür auf, und Arcangela winkte mit erboster Miene Celestina ins Haus. Sie wartete, bis diese an ihr vorbei ins Vestibül gestolpert war, dann wandte sie sich empört an Galeazzo. »Ihr habt ihn betrunken gemacht!«
»Nicht doch«, protestierte der. »Es waren höchstens drei Bier!«
»Vier«, sagte Timoteo. »Tut mir leid, wir wussten nicht, dass der Junge nichts verträgt.«
Arcangela schnaubte verächtlich. Celestina tauchte neben ihr im Türrahmen auf, selig lächelnd und den Refrain des Liedes summend, das sie vorhin zusammen mit ihren guten Freunden gesungen hatte. »Gute Nacht, ihr hilfreichen Helfer. Ach nein, das ist
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