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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Verrichtungen geholfen. Als kleiner Junge, indem er ihm die Hausschuhe an- und auszog oder die kalten Füße rieb, später, indem er den Rollstuhl von einer Kammer in die andere oder auch über die Rampe ins Freie schob, und schließlich, als er dafür stark genug war, indem er den Vater auf den Nachtstuhl oder ins Bett bugsierte.
    »Musst du noch auf den Topf?«
    »Nein, ich war schon. Brodata hat mir geholfen. Bevor sie ging.«
    Es kam so beiläufig, dass Timoteo einige Augenblicke brauchte, um den merkwürdigen Unterton zu bemerken. »Bevor sie ging? Du meinst, ins Bett?«
    Sein Vater zuckte die Achseln. »Im Bett ist sie nicht, denn dann hätte ich ihre Schritte auf der Treppe gehört.«
    »Sicher ist sie oben. Warte, ich gehe nachsehen.«
    Sein Vater hielt ihn am Handgelenk fest. »Ich mache mir Sorgen um meine Schwester, weißt du.«
    »Aber sie ist bestimmt in ihrem Zimmer …«
    Sein Vater ließ ihn nicht los. »Sie kann oft nachts nicht schlafen, genauso wenig wie ich. Dann unternimmt sie … Spaziergänge.«
    »Du meinst, Tante Brodata macht gerade einen Spaziergang? Um diese Zeit?«
    Alberto sagte nichts.
    Timoteo runzelte die Stirn. »Tut sie das öfters? Du solltest mit ihr darüber sprechen. Nachts ist es hier in unserer Gegend friedlich, jedenfalls meistens. Aber manchmal ist auch Pöbel unterwegs. Wenn sie Luft schnappen möchte, kann sie auch in den Hof gehen.«
    Alberto nickte, als sei dieser Vorschlag erwägenswert. Dann meinte er unvermittelt: »Da du sowieso häufig bei Nacht unterwegs bist, könntest du vielleicht einmal nach ihr sehen.«
    »Soll ich sie suchen gehen?«
    Sein Vater nickte, doch dann schüttelte er den Kopf. »Es ist zu spät. Und zu dunkel. Vielleicht in einer anderen Nacht. Dann folgst du ihr heimlich und schaust, was sie macht. Wir sollten auf sie achtgeben.«
    Timoteo empfand Befremden bei den Bemerkungen seines Vaters. »Vielleicht sollte ich lieber jetzt gleich nach ihr schauen, wenn du dir solche Sorgen machst.«
    »Nein, ich will jetzt meine Ruhe. Außerdem weiß ich, dass sie spätestens in einer Stunde wiederkommt, das tut sie immer. Hilf mir, mich hinzulegen, und dann gehst du auch schlafen. Sonst kannst du dich morgen nicht auf den Unterricht konzentrieren.«
    Timoteo half seinem Vater ins Bett. Er streifte ihm die Beinkleider ab und deckte ihn zu. Das Nachtlicht auf dem Schemel neben dem Bett ließ er brennen, sein Vater hasste es, im Dunkeln zu schlafen.
    »Gute Nacht, Vater.«
    »Gute Nacht, mein Sohn.«
    Celestina musste sich vor dem Einschlafen eine gewaltige Standpauke ihrer Stiefschwester anhören. Nicht nur, dass sie mit ihrem Lärm eine der Mägde aufgescheucht hatte, nein, es war auch noch die alte Immaculata auf der Bildfläche erschienen, mit wehendem Nachthemd und bis zur Hüfte hängenden weißgrauen Haarfransen, und Celestina hatte, zu Tode erschrocken vor dieser gespenstischen Gestalt, einen spitzen Schrei ausgestoßen.
    Arcangela hatte Celestina gerade noch in eine dunkle Ecke zwischen einem Schrank und der Wand schubsen können und der Magd befohlen, wieder zu verschwinden, während die Alte die Treppe herunterkam, in einem für ihre Jahre erstaunlichen Tempo, und eine Erklärung für den Radau forderte.
    »Was ist das für ein Kommen und Gehen in diesem Haus, mitten in der Nacht!«, hatte sie mit krächzender Stimme ausgerufen.
    Arcangela hatte behauptet, sie wollte sich in der Küche etwas zu trinken holen, und dabei sei die dumme Magd wach geworden, und dann sei sie, Tante Immaculata, erschienen, und habe sie erschreckt.
    Arcangela schäumte vor Wut. »Du kannst von Glück sagen, dass sie so schlecht sieht! Und dass das Nachtlicht nicht in deiner Nähe brannte! Diese alte Scharteke hätte dich um ein Haar entdeckt! In Hosen!«
    »Es tut mir leid«, murmelte Celestina. Sie lag rücklings auf dem Bett. Um sie herum drehte sich alles. Sie stöhnte und hielt sich den Kopf. Bemerkenswerterweise hatte sie immer noch die Kappe auf. Mühsam streifte sie sie ab, doch das half nicht gegen den Schwindel, im Gegenteil.
    »Musst du dich etwa übergeben?«, fragte Arcangela argwöhnisch.
    »Ich weiß nicht … Ja.« Im selben Moment tat sie es auch schon, es gelang ihr gerade noch, den Kopf aus dem Bett zu strecken, um nicht die Laken zu besudeln. Sie fing an zu weinen vor Scham und Elend.
    Arcangelas Verstimmung löste sich in Mitleid und Sorge auf. »Ach je, du armes Ding! Es geht dir richtig schlecht, was?« Sie wischte ihrer Stiefschwester das Gesicht

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