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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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darauf haben, ob sie dieser Wohltat auch würdig war. Man würde sie beobachten.
    Sie ahnte schon, was sie sagen würden.
    Ob dieser Kerl wirklich so tüchtig ist, wie man hört? Wenn du mich fragst, ist er ein Angeber. Findest du nicht, dass er wie ein Mädchen aussieht? Schau dir seine weichen Wangen an! – Du hast recht, mein Freund. Für einen siebzehnjährigen Knaben ist er sehr klein und zart. Und erst die Stimme!
    Kalte Angst kroch in ihr hoch. Frater Silvanos Plan, der ihr anfangs noch so einleuchtend erschienen war, kam ihr jetzt vor wie eine Würgeschlinge. Irgendwer würde sie durchschauen, nur wegen dieses dämlichen Stipendiums! Ob sie es einfach ablehnen sollte, falls es so weit käme?
    »Lass es doch endlich gut sein«, meinte Arcangela, die sich wie üblich vor dem Zubettgehen vor dem Spiegel das Haar bürstete. Die rötlichen Locken sprühten im Licht der Stundenkerze Funken, und auf ihrem Gesicht lag ein halb träumerischer, halb verzweifelter Ausdruck, so wie immer an den Tagen, an denen sie einen von ihren Liebhabern getroffen hatte. »Du kannst dir unmöglich alles merken, was du da liest. Am Ende wirfst du es nur durcheinander und weißt dann gar nicht mehr, wo dir der Kopf steht.«
    Celestina rieb sich die Augen. Ihre Stiefschwester hatte recht. Es gab nur eines, das sie tun konnte, um ihrer Furcht Herr zu werden. Sich ihr stellen. Ihr ins Gesicht lachen. Sie mit Gegenmaßnahmen besiegen.
    Sie schob entschlossen die aufgeschlagenen Bücher von ihren Knien und krabbelte aus dem Bett.
    »Was hast du vor?«, wollte Arcangela wissen.
    »Ich gehe noch aus.«
    In der Schenke war die Luft zum Schneiden dick und die Stimmung ausgelassen. Die laue Sommerluft hatte viele der Studenten noch nach Anbruch der Dunkelheit zu den Bierkrügen getrieben. Die Tische waren voll besetzt, es gab nur vereinzelt freie Plätze. Zoten und Trinksprüche flogen hin und her, es wurde gejohlt und gelacht und gebechert, was das Zeug hielt. Hier und da war ein Würfelspiel im Gange, und manche der jungen Burschen führten sich noch einen Mitternachtsimbiss in Form von aufgewärmtem Eintopf mit Brot zu Gemüte. Die Schankmagd hatte alle Hände voll zu tun, um mit dem Servieren nachzukommen. Schwitzend schob sie sich zwischen den Bänken und Tischen hindurch und duldete mit ergebenem Lächeln, dass der eine oder andere angeheiterte Jüngling ihre Kehrseite tätschelte.
    Celestina erkannte auf Anhieb etliche der Studenten, die am Morgen im Spital bei der Geburt zugesehen hatten. Die Kehle wurde ihr eng, als sie unter ihnen Timoteo Caliari und Galeazzo da Ponte sitzen sah. Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und das Weite gesucht. Doch dann hob sie das Kinn. Um sich diese Angst auszutreiben, war sie schließlich hier! Sie würde sich nicht den Schneid abkaufen lassen! Alles hing davon ab, dass sie mit dem nötigen Selbstbewusstsein auftrat. Auf keinen Fall würde sie zitternd wie ein kleines Mädchen davonlaufen.
    Sie ging geradewegs auf den Tisch zu, an dem die beiden Männer saßen. Einige der Anwesenden erkannten sie wieder, als sie an ihnen vorbeikam.
    »Seht nur, der Bursche aus Mantua!«
    »Der Lehrling des Steinschneiders. Oder sollten wir lieber sagen, der Hebammerich? Wie hieß er noch gleich?«
    Grölendes Gelächter belohnte den Witzbold.
    »Der war gut, Baldo!«, rief jemand.
    Celestina wandte sich besagtem Baldo zu, einem elegant gekleideten Stutzer, dessen Gesicht über dem Spitzenkragen von Schweißperlen bedeckt war.
    »Marino da Rapallo«, sagte sie. »Immer zu Euren Diensten. Im Zweikampf mit scharfen Waffen jedoch nur, falls Euch ein Blasenstein plagt.«
    Diesmal hatte sie die Lacher auf ihrer Seite. Auch Timoteo grinste breit, als sie näher kam.
    »He, Marino! Komm her, setz dich zu uns, wir rücken zusammen!«
    Sie tat wie geheißen und nahm den frei gewordenen Platz neben ihm ein, obwohl die Aufregung ihr noch schlimmer zusetzte als beim Betreten der Schenke. Dieser Mann hatte etwas an sich, das sie zusätzlich nervös machte. Vielleicht lag es daran, dass er sie um Haupteslänge überragte, sogar noch im Sitzen. Obwohl, nein das konnte es nicht sein, denn dazu gehörte nicht viel. Möglicherweise hing es mit seinem durchdringenden Blick zusammen. Er war klug, und er verstand sich darauf, Zusammenhänge rasch zu erfassen. Er war Soldat gewesen, und er hatte gelernt, mit der Waffe umzugehen. Jemand, der das Schießen und Fechten auf eine Weise beherrschte, dass sein Leben davon abhing, war

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