Das Mädchen-Buch
verschieden und das bedeutet: Mädchen besitzen zwei X-Chromosomen und Jungs ein X- und ein Y-Chromosom. Das X-Chromosomen-Paar sorgt dafür, dass die Mädchen nicht so anfällig sind. Das Y-Chromosom macht, dass dem Embryo Hoden wachsen und die produzieren Testosteron. Der Neurowissenschaftler Professor Gerald Hüther vergleicht die Wirkung des Testosterons bei Jungen mit einem Orchester. »Wegen dieser vorgeburtlichen Testosteroneinwirkung rücken im Orchester der kleinen Jungen die Pauken und Trompeten stärker nach vorne, während die harmonischen Instrumente in den Hintergrund treten.« Das heißt, dass die Jungs »mit mehr Antrieb« auf die Welt kommen. Jungen, so meint er, suchen »im Durchschnitt mehr Halt im Außen« … »Neugeborene Mädchen haben das weniger nötig.« Der Hippocampus entwickle sich bei Jungen stärker, weil Jungen, bei ihrer Orientierung »im Außen« besonders diese Hirnregion benutzen. »Das Gehirn ist ein Organ, mit dem wir uns in der Welt orientieren, aber es wird erst im Kontakt mit dieser Welt geformt.« Gehirnbahnen und -verbindungen festigen sich durch unsere Erlebnisse bzw. die häufige Aktivierung bestimmter Regionen. | 63 |
Gerald Hüther sagt für Jungs, was genauso auch für Mädchen gilt:
»Jungs brauchen weder Puppen noch Panzer, sondern stabile Bindungen und Aufgaben, an denen sie wachsen können. Und wir müssen sie vor ungünstigen Rahmenbedingungen schützen.« | 64 |
GERALD HÜTHER, HIRNFORSCHER 24
Kap05
Rosa oder Hellblau – Kleine Farbenlehre
Zwei bis sechs Jahre
»Meine Tochter war immer ein sehr sensibles, sehr empfindliches Kind. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie wie ein italienischer Sportwagen aus den 60er-Jahren ist, mit einer ganz komplizierten Gangschaltung. Und wenn du dich einmal ein bisschen verschaltest, dann ist das ganze Getriebe sofort am Ruckeln und der muss in die Werkstatt. Ich hatte immer das Gefühl, ich muss sie ganz vorsichtig anpacken.« | 65 |
JASPER, 44, EINE TOCHTER, EIN SOHN
»Die ist schon eine richtige Persönlichkeit«, sagen viele Eltern von kleinen Mädchen. Erstaunt und gespannt beobachten sie, wie ihre Töchter mit dem Leben umgehen, wie sie die Welt erkunden und sie sich zu eigen machen. In rasantem Tempo entwickelt sich jetzt ihr Wortschatz und es macht großen Spaß mitzubekommen, wie die Mädchen mit neuerworbenen Begriffen umgehen, eigene Wortschöpfungen bilden und Worte ganz direkt und greifbar so einsetzen, wie es für sie richtig erscheint. | 66 |
Manche Eltern schreiben dicke Bücher mit »Bonmots« ihrer Sprösslinge voll und werden nicht müde, stolz von den Aussprüchen ihrer Kinder zu erzählen.
Geschickt und körperlich mobil
Erzieherinnen im Kindergarten beobachten es immer wieder: Wenn Mädchen die Wahl haben, sich zwischen Bewegungsangeboten und künstlerischem Gestalten zu entscheiden, wählen sie ganz oft das künstlerische Gestalten, während Jungen eher die Bewegungsangebote wahrnehmen. Und was mehr geübt wird, prägt sich mehr aus.
Die meisten Mädchen machen große Fortschritte im Umgang mit Stift, Schere und Messer, sie sind geschickt im Schuhezubinden, Plätzchenausstechen oder Sterneausschneiden, weil sie es mehr üben. »Die Jungen machen es weniger, aber können tun sie es auch«, weiß die Erzieherin Ursula Eggert. Und umgekehrt:
»Früher war es oft so, dass Jungen im Bewegungsbereich weiter waren als Mädchen oder da forscher waren, das ist aber nicht mehr so, da haben sich die Geschlechter stark angenähert, obwohl es immer noch sportliche Gebiete gibt, wo die Mädchen eine untergeordnete Rolle spielen.«
URSULA EGGERT, ERZIEHERIN
Mädchen und Jungen im »Kindergartenalter« lernen vor allem, ihre Bewegungsabläufe zu verfeinern. Sie lernen Klettern, Hüpfen, Treppensteigen, Hängen, Schwingen, Dreiradfahren, Werfen, Fangen, im Schneidersitz zu hocken, rückwärts zu laufen, auf Zehenspitzen zu stehen, rhythmisch zu Musik zu tanzen und | 67 | auf einem 20 cm breiten Balken zu balancieren. Es macht Spaß, den Kindern beim Erwerb ihrer neuen Fähigkeiten zuzusehen, mit ihnen zu schwimmen, zu laufen, zu tanzen, Fahrrad zu fahren, und sie freuen sich, wenn die Eltern sie ermuntern, sie für ihre vorgeführten »Kunststücke« loben und sie unterstützen.
»Wenn das mit dem eigenen Willen losgeht«
Schon in den ersten Monaten beobachten Eltern, dass ihre Kinder einen eigenen Willen haben, dass sie zu verstehen geben können, wenn sie etwas möchten oder auch nicht. Wenn sie die
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