Das Mädchen-Buch
unabhängig von ihrem Geschlecht.
Wenn die Umgebung einen sicheren Halt bietet durch einerseits nachvollziehbare Regeln und andererseits, indem sie Initiativen der Kinder aufgreift, werden sie ermutigt und sie erfahren: »Wenn ich aktiv werde, ist das eine gute Sache. Ich muss mich nicht schuldig fühlen. Ich bin eine eigenständige Person und werde auch als solche wahrgenommen.« | 70 |
Lügt mein Kind?
Die Zeit zwischen zweieinhalb und fünf Jahren wird auch »Magische Phase« genannt. Die Kinder leben dann in der Vorstellung, dass alles, was sie wünschen und denken, tatsächlich eintreten könnte. Sie erzählen Geschichten so, wie sie gerade selbst empfinden. Dinge werden vermenschlicht: »Die Wolken regnen, weil sie traurig sind«, »Der Ball liegt unter der Kommode, weil er schlafen möchte«. Sie glauben, dass sie selbst und andere magische Fähigkeiten haben, in positiver und in teilweise sehr beängstigender Weise: »Mama ist krank, weil ich böse war.« Eltern sollten ihr Kind ernst nehmen und die Erzählungen keinesfalls als Lügengeschichten abtun. 25 Die »blühende« Fantasie des Kindes macht ihm unter Umständen nämlich wirklich zu schaffen. Einem Kind, das weiß, dass nachts wieder die Monster kommen, hilft es, abends gemeinsam mit dem Papa und einem Besen alle möglichen Ungeheuer aus dem Zimmer zu kehren.
Erste im »Sauber«-Sein
Sexuelle Entwicklung
Im zweiten Lebensjahr beginnt die anale Phase . »Anus« heißt After oder Darmausgang. Kinder fangen an, ihren Schließmuskel zu beherrschen. Festhalten und Loslassen von Kot und Urin werden zum lustvollen Spiel. Sie verschaffen sich selber ein schönes Gefühl.
Manche Eltern fiebern der Zeit, in der die Kinder »sauber« sind, entgegen. Sie freuen sich, wenn die Kinder keine Windel mehr brauchen, aber auch, wenn das mit dem Gestank in der Hose und dem oft unmittelbaren Kontakt zu den Ausscheidungen aufhört. Die Zeit davor, wenn die Kinder mit Stolz auf ihr | 71 | »Häufchen« hinweisen, vielleicht sogar damit spielen, mögen sie überhaupt nicht. Manche scheinen auch eine Art Wettbewerb mit Eltern gleichaltriger Kinder ausgeschrieben zu haben, der lautet: »Wessen Kind ist zuerst sauber?« Und so stellen eifrige Eltern ihren Sprösslingen bei jeder Regung ein »Klöchen« vor die Nase und ermuntern sie: »Drück doch mal.« Manchmal sind solche Bemühungen sogar von Erfolg gekrönt. Und die Zweijährige ist unglaublich stolz über ihre vollbrachte Leistung. Was aber machen die Eltern? Sie loben kurz ihr Kind, und eh es sich versieht, verschwindet das gerade hergestellte Produkt auf Nimmerwiedersehen in der Toilette.
Mädchen werden früher angehalten, sauber zu werden, als Jungen. Eine Freundin erzählte mir, dass sie als Kind, wenn »nichts kam«, von ihrer Mutter mit einem kalten Waschlappen ins Gesicht geschlagen wurde. Das sollte wohl irgendwie anregend wirken. Es wirkte – wen wunderts? – aber nur ängstigend.
Geduld mit der Sauberkeitserziehung
Wann können Kinder sauber werden?
Durchschnittlich ab dem dritten Lebensjahr können Kinder ihre Darmmuskeln kontrollieren. Bei der Blase dauert es noch länger. Ein Vorschulkind, das noch ab und zu ins Bett oder sich tagsüber in die Hose macht, ist nicht gleich krank.
Auf die anale Phase folgt die phallisch-genitale Phase. Freud setzte sie vom dritten bis zum fünften Lebensjahr an. Kleine Mädchen empfinden Lust daran, ihre Klitoris zu berühren, zu streicheln, und dies zielgerichteter, als es bisher der Fall war. Kinder nehmen jetzt klar Geschlechtsunterschiede wahr. Mädchen stellen fest, dass sie das gleiche Geschlecht wie die Mutter oder die Schwester haben, und entwickeln eine Neugier, ihren eigenen und den andersgeschlechtlichen Körper zu erforschen. | 72 |
Coach
Die Sauberkeitserziehung ist eine sensible Angelegenheit. Eltern sollten keinen Druck machen und auch den Stolz auf die neuerworbene Fähigkeit des Kindes, seinen Kot abzugeben, nicht mit »IIhhh«-, »Pui«- oder »Bah«-Ausrufen kommentieren. Das ist für manche Eltern nicht leicht, besonders wenn sie selbst so erzogen wurden. Wenn Kinder gern mit ihren Ausscheidungen spielen möchten, überschreitet das die Duldungsgrenze der meisten Eltern. Anstatt entsetzt in Hektik zu verfallen, könnte man dem Kind andere Möglichkeiten anbieten, dem Wunsch nach »Matschen« nachzukommen. Mit Schlamm, Sand und Wasser lässt es sich auch gut spielen.
Ekel vor den Körperausscheidungen kann sich im Erwachsenenalter in einen
Weitere Kostenlose Bücher