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Das Mädchen-Buch

Das Mädchen-Buch

Titel: Das Mädchen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Raffauf
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niemand leben, auch wenn er die übrigen Güter alle zusammen besäße.«
    Aristoteles hat offenbar ganz viel verstanden von dem Bedürfnis nach Nähe, nach Unterstützung, danach, sich im anderen zu spiegeln, etwas, das Mädchen – heute wie damals – mehr als alles andere beschäftigt. Freundinnen und Freunde sind einem nicht, wie Familienangehörige, in die Wiege gelegt. Freunde sucht man sich selber aus und für Mädchen sind Freundinnen ein Teil ihrer selbst. Sie finden sich im Dschungel des Schulalltags heraus, sie verlieben sich in sie, sie sind Seelenverwandte und sie sind exklusiv:
    »Wenn ich Probleme habe oder Gefühle, die mich beschäftigen, kann ich sie eigentlich nur meiner Freundin erzählen. Sie ist die Einzige, die mich versteht.«
    CAROLA, 12 JAHRE
    Freundinnen – manchmal auch gute Freunde – geben Mädchen Halt, sie können mit ihnen alles teilen. Sie vermitteln ihnen das Gefühl, verstanden zu werden, wertvoll zu sein. Sie sind Anker im großen Meer der Ungerechtigkeiten, die Eltern, Lehrer, Gleichaltrige einem antun. Sie teilen mit einem Kränkungen und Liebesleid, und sie verdoppeln die Freude über eine gute Arbeit oder einen gelungenen Flirt. Freundinnen machen einen groß und wichtig.
    Viele Mädchen wünschen sich nichts dringender als eine beste Freundin. Die beste Freundin soll das andere Ich sein. Mit ihr möchte man verschmelzen zu einem großen Ganzen. So wächst die Gewissheit, gut zu sein, geliebt zu werden, richtig zu | 128 | denken und zu handeln. Freundinnen verstehen einen, stärken das wackelige Selbstvertrauen, und der Gedanke: »Wir gegen den Rest der Welt«, gibt den Mädchen Kraft und Energie. Das beobachten schon Grundschullehrerinnen:
    »Es kommen immer mehr Mädchen selbstbewusster in die Schule, aber die Mädchen kommen in der Regel mit einer Freundin oder in so einer Kindergartenclique, in der sie sich dann auch, die erste Zeit zumindest, am wohlsten fühlen.«
    NORA SEIDEL, GRUNDSCHULLEHRERIN
    Freundinnen sind Stütze, Trost, und sie machen mutiger. Das wissen auch die Eltern von Mädchen, und die allermeisten sind sehr froh, wenn ihre Tochter eine Freundin gefunden hat. Wenn sie sich nicht traut, alleine etwas zu fragen oder zu unternehmen, fällt vielen Eltern als Erstes die Frage ein: Möchtest du nicht eine Freundin mitnehmen? Freundinnen verstehen die eigenen Gefühle, die Ängste und Sorgen. Sie kennen die Angst, der Lehrerin die Meinung zu sagen, an einen unbekannten Ort zu gehen, einen Jungen anzusprechen. Sie sind selbst sehr nah dran an den Dingen, die einen wirklich bewegen. Und wer versteht einen sonst? Niemand. Sie übernehmen den Job der besten Vertrauten, unterstützen einen, wenn Eltern nicht in der Nähe sein können. Sie bilden die Brücke ins selbstständige Leben.
    Freundschaftsbändchen sind ein Zeichen, mit dem die Zusammengehörigkeit nach außen gezeigt wird. Noch relativ dezent, wenn man es mit dem Freundinnenkult vergleicht, den der Münchner Sprachforscher Martin Voigt im Internet ausgemacht hat. Mädchen, so meint er, stilisieren ihre Freundschaften zu Liebesbeziehungen. Auf Facebook geben sie als Beziehungsstatus »in einer Beziehung« an. Die SMS enden alle mit HDL oder HDGDL. Das Codewort ist ABFFL – »Allerbeste | 129 | Freundin fürs Leben«. Mädchen beteuern sich öffentlich ihre Liebe, schwören sich ewige Treue und stellen Fotos von sich ins Netz, auf denen sie sich auf den Mund küssen. 62
Freundinnen als Übergangsobjekte
    Ein Kult, der viele Möglichkeiten eröffnet: Dicke Freundinnen zu sein ist ein Signal an die Außenwelt und an sich selbst: »Ich bin wichtig. Ich werde geliebt.« Freundinnen bieten gleichzeitig die Möglichkeit zum Probehandeln, zur Selbstinszenierung und einen Schutz vor sexuellen Beziehungen, von denen Mädchen noch gar nicht wissen, was da auf sie zukommt und wie das, was kommt, eigentlich gehen soll. »Wir sind stark, wir brauchen niemanden«, ist das Signal.
    Übergangsobjekte
    Der Psychoanalytiker Winnicott nannte die Funktion von Kuscheltieren in der Zeit der Ablösung der Babys von der Mutter Übergangsobjekte. Sie erlauben, den Übergang von der ersten frühkindlichen Beziehung zur Mutter zu reiferen Beziehungen zu vollziehen. An ihnen kann ich ausprobieren, wie der Umgang später mit Fremden gehen kann. Manche Freundinnen übernehmen eine ähnliche Funktion.
Scherben
    So unverbrüchlich Freundschaften sein sollen, so fragil sind sie oft.
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Meine

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