Das Mädchen-Buch
ist Ihre Tochter auch ganz schüchtern und weiß nicht recht, wie sie »andocken« soll. Hilfreich ist es, sie zu ermutigen, etwas von sich zu zeigen. So haben die anderen die Möglichkeit, sie so zu sehen, wie sie ist, und sie erhalten Anknüpfungspunkte. Kann sie gut Kuchen backen? Ist sie gut im Klettern? Hat sie einen besonderen Sinn für Geschichten? Leichter ist es, auf Einzelne zuzugehen als auf eine ganze Gruppe. »Wen magst du gern?«, »Was gefällt dir an ihm oder ihr?«, »Magst du das als Anlass nehmen eine Frage zu stellen und ins Gespräch zu kommen?« sind Fragen, die weiterhelfen.
Eine andere Hilfe kann es sein, mit der Tochter, die sich einsam in der Klasse und auf dem Schulhof fühlt, zu besprechen, wie sich eine Schulklasse zusammensetzt, dass Klassen wahllos zusammengewürfelt sind, im Prinzip wie Arbeitskollegen. | 133 |
Wenn man dort eine beste Freundin findet, ist das eher ein großes Glück als der Normalfall. »Überlegen wir mal, wo du außerhalb deiner Klasse, in einer anderen Klasse, im Verein, in der Nachbarschaft Freundinnen finden kannst.«
»Falsche Freunde« sind eigentlich gar keine Freunde. Manchmal bekommen Eltern mit, dass ihr Kind von anderen wirklich ausgenutzt und verletzt wird. Das zuzugeben ist nicht so leicht. Aber sie können Anregungen geben: »Fühlst du dich wohl mit deiner Freundin? Kannst du ihr vertrauen? Lässt sie dich so, wie du bist?«, sind Fragen, die man in ruhiger Minute mit den Mädchen besprechen kann. Und: Alle Freunde sind willkommen. Eltern sollten die Freunde ihrer Kinder immer willkommen heißen. Verbieten lassen sie sich nicht. Da fällt mir wieder meine Tante Josi ein, die die Devise hatte: »Meine Kinder haben ihre Freunde ausgesucht. Wenn ich sie willkommen heiße, habe ich weiter guten Kontakt zu meinen Kindern.« – Ausnahme: Wenn die Freunde kriminell sind, wenn die Kinder bedroht oder unter Druck gesetzt werden, dann müssen Eltern sich einmischen und sich klar positionieren.
Wie Freundschaft geht, erfahren Mädchen zuerst zu Hause. Haben unsere Eltern Freunde? Werden sie eingeladen? Wie pflegen sie die Freundschaften? Sind sie schnell zu verunsichern, wenn die Freundin mal nicht anruft? Sind sie in der Lage, eine Unstimmigkeit mit der Freundin zu besprechen? Wie geht Beziehung? Das gucken Mädchen sich als Erstes bei ihren Müttern und Vätern ab – automatisch. Werden zu Hause Feste gefeiert und als schön erlebt, möchte man auch irgendwann seine Freundinnen einladen. Verabredet die Mutter sich mit ihrer Freundin zum »Quatschen« oder ins Kino, ist das ein | 134 | Signal: Freunde sind wichtig. Für Freundschaften kann man etwas tun. »So geht Freundschaft«, lernen Mädchen.
»Du bist dein eigenes Navigationssystem«, ist eine stärkende Nachricht, die Eltern ihren Töchtern mit auf den Weg geben können. »Wenn du jemanden gut leiden magst, obwohl er oder sie bei anderen nicht so angesagt ist, ist er oder sie vielleicht trotzdem ein guter Typ. Schau sie dir selber an. Es gibt überall Nette und Doofe, wir müssen selber gucken, an Äußerlichkeiten sind sie nicht zu erkennen.« Wir können Mädchen bestärken, ihrem eigenen Gespür zu vertrauen. »Wenn du das Gefühl hast, ein Kompliment ist nicht ehrlich, ein Mensch ist nicht so ganz echt, er trägt zu dick auf oder guckt immer zur Seite, wenn er mit dir redet – trau deinem Gefühl, schieb es nicht beiseite, sondern denk drüber nach und überprüf es.« »Du hast doch gute Antennen, fahr sie aus!«
Generation Topmodel
Als unsere Tochter vier Jahre alt war, ist sie einmal beim Spiel mit dem Wasserschlauch in der Kindertagesstätte vollkommen nass geworden. Die Erzieherinnen mussten sie komplett umziehen. Sie gaben ihr eine Hose und einen Pullover aus der dafür vorgesehenen Klamottenkiste des Kindergartens. Zähneknirschend ließ sie es mit sich geschehen, aber nicht, ohne ihre Abscheu gegen die Kleiderauswahl der Erzieherinnen kundzutun: »Tanja, das ist eigentlich nicht mein Stil« erklärte sie entschieden.
Ich vermute, Jana ging es darum, selber zu bestimmen, wie sie aussieht. Sie wollte eigenständig sein. Und sie fühlte sich kompetent. Kompetenter als die Erwachsenen. Womöglich war ihr ästhetisches Empfinden erheblich gestört durch das, was die Erzieherin für sie ausgewählt hatte. Was sie schön findet und | 135 | was nicht, was in ihren Augen zusammenpasst und was nicht, den Blick dafür hat sie bis heute durchgehalten. Zufällig ist ihre Garderobe nie. Sie wählt
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