Das Mädchen-Buch
es beispielsweise schaffe, ja vielleicht auch so kleine Samen einzulegen, für die sie sich dann interessieren könnten. Ich versuche Angebote zu machen, das ist aber gar nicht so einfach. »Gehst du mit in ein Konzert?«, »Gehst du mit ins Kino?«, das findet momentan kaum noch statt. Museum haben wir ihnen anscheinend ausgetrieben, weil wir sie als Kinder zu viel in Museen geschleppt haben. So, das haben wir anscheinend schon mal falsch gemacht. Man braucht auch das nötige Fingerspitzengefühl. Vielleicht in der Art wie: »Eh, komm, Mädchen, jetzt gehen wir ins Kino und ich schlag einen Film vor. Nächste Woche gehen wir dann in einen Film, den du vorschlägst.« So müsste es eigentlich gehen, aber da kommt dann oft: »Meinste echt?« Da musst du schon hart am Ball bleiben, aber ohne zu nerven.
Silberrücken
Hebst du deine Töchter auf ein Podest?
Ich hebe meine Töchter nicht auf ein Podest. Hab ich ja durch sie gelernt, dass das falsch ist. Aber natürlich sind das die | 177 | Mädels, für die ich zuständig bin. Wenn ich das mit archaischen Bildern beschreiben würde, dann würde ich sagen: Ich bin hier immer noch der Silberrücken. Ich hab dafür zu sorgen, dass hier keinem was passiert. Silberrücken sind die männlichen Gorillas mit dem silbernen Rücken, die großen Clan-Chefs. Ich hab dafür zu sorgen, dass wir alle durchkommen. Natürlich empfinde ich für keine anderen weiblichen Wesen so wie für meine Töchter, das ist natürlich auch klar, aber ich empfinde auch für keine anderen Männer so viel wie für meine Söhne.
Und natürlich bewundere ich sie auch. Die haben alle vier eine Menge Fähigkeiten, die ich nicht habe. Die verblüffen mich oft mit irgendetwas, von dem ich keine Ahnung habe.
Die sind sensationell! Ich hätte wirklich was versäumt, wenn ich keine Kinder hätte. Mal gucken, wie das alles weitergeht. | 178 |
Planet »Ich«
»Wir stehen vor ihr und schlagen Purzelbäume und sie ist auf ihrem Planeten ›Ich‹«, so beschreibt die Mutter einer 16-Jährigen die Dynamik, die sich in der Familie entwickelt, wenn gar nichts mehr geht. Eltern klagen über das Desinteresse der Töchter an der Familie, über ihre absolut egoistischen Verhaltensweisen. Sie machen, was sie wollen, bedienen sich der Handys, Portemonnaies und des Kleiderschrankes der übrigen Familienmitglieder, halten sich nicht an Absprachen bezüglich ihrer Ausgehzeiten und beteiligen sich nicht an Haushaltspflichten. Das treibt Eltern und Geschwister manchmal zur Verzweiflung. Dann gibt es aber auch Momente, da sind sie wieder »zuckersüß«, spielen mit dem kleinen Bruder und kochen das Abendessen. Keiner weiß, was gerade dran ist.
Die 15-jährige Lena erklärt das so:
»Ende der siebten, Anfang der achten Klasse hat das angefangen. Meine Eltern wollten halt abends noch zusammensitzen und über Familie oder Schule reden. Ich wollte lieber mit meiner Freundin telefonieren, was jetzt mit ihrem ›Vielleicht-Freund‹ ist. Meine Familie hat dann gesagt: ›Dich interessieren ja eh nur deine Sachen.‹ Ich fand es langweilig, wenn meine Eltern von der Arbeit erzählten. ›Du musst sitzen bleiben‹ – wenn sie das gesagt haben, hab ich gesagt: ›Nö!‹, weil es ein Zwang war, wie Schule, wie Mathe. Ich war wahrscheinlich ein bisschen egoistisch, aber irgendwie hab ich versucht, mich gegen meine Eltern zu stemmen.«
LENA, 15 JAHRE
Die Flüge auf den Planeten »Ich« kommen immer wieder mal vor und sie können viele Gründe haben. Mädchen fühlen sich | 179 | verlassen, unverstanden, ungeliebt oder eingeschränkt in ihrem Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung. Sie wollen etwas Eigenes entwickeln, etwas, das anders ist, als die Eltern es sich vorstellen. Und damit haben sie genug zu tun. Der Raum, mit den Erwachsenen mitzufühlen, ist in diesem Alter manchmal stark eingeschränkt. Für Eltern und Kinder ist das oft eine harte Probe.
Mädchen, die in dieser Zeit versuchen, sich von ihren Eltern zu befreien, machen das, was sie tun müssen. Sie rebellieren, sie »stemmen« sich dagegen, wie Lena sagt. Das ist ihre Aufgabe. Die Aufgabe der Eltern ist eine andere: Sie müssen sagen, was geht und was nicht geht. Ihr Job ist es, ihren Standpunkt zu vertreten – und sei er auch noch so konservativ –, denn so bieten sie Halt. Sie sind der Leuchtturm, an dem die Mädchen sich immer wieder orientieren können, in welche Richtung sie ihr Schiff lenken wollen.
Die Pubertät ist schuld – Hormone und
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