Das Mädchen-Buch
fühlen und ruhig, aber klar bleiben, kann es nicht eskalieren. Gleichzeitig ist es nicht hilfreich, wenn wir alles tun, was die Kinder von uns wollen, in der Hoffnung, dann kehre Ruhe ein. Auch da ist es wichtig, dass wir bei unserer Haltung bleiben, am besten in Ruhe, unaufgeregt und klar. Einzige Ausnahme: Wir erfahren wirklich, dass eine Vorgabe, die wir aufstellen, von den Kindern deshalb so schwer einzuhalten ist, weil sie nicht mehr altersgemäß ist und einfach nicht mehr passt. Eine 14-Jährige, die nur bis acht Uhr abends rausdarf, lehnt sich zu Recht dagegen auf. Dann müssen wir etwas verändern. Wenn wir wie Prinz Eisenherz stur an Vorgaben festhalten, würde das andererseits die Kinder frustrieren. Das führt dazu, dass sie sich resigniert zurückziehen, weil sie das Gefühl haben: »Ich habe keine Einwirkungsmöglichkeit.« Kontakt zu den Kindern geht nicht über Schemata, denen alle folgen sollen, sondern über Beziehung, über echtes Interesse.
Auseinandersetzungen zuzulassen und unterschiedliche Positionen zu vertreten ist eine Art von Kontakt. Entscheidend dabei ist, dass beide Seiten respektvoll bleiben. »Du Zicke«, »Du Schlampe« sind herabwürdigende Formulierungen, die einfach nur verletzen. Es klingt anders, wenn Eltern sagen: »Das, was du da machst, finde ich nicht gut«, als wenn sie sagen: »Du bist nicht gut.« Im ersten Fall kritisieren sie eine Sache, im zweiten die ganze Person. Manchmal geht das | 183 | Heruntermachen sehr subtil vonstatten. Wenn wir als Eltern die Jugendlichen oder auch die Dinge, die sie lieben, ihre Freunde, ihre Musik, ihre Kleidung schlechtmachen, ist das verständlicherweise ein »Kontaktkiller«. Die Jugendlichen haben dafür eine feine »Antenne«:
»Respekt gegenüber Erwachsenen, Eltern ist etwas, was schwer einzuhalten ist, vor allem, wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht.« (Annika, 14 Jahre)
Wenn wir einen guten Kontakt zu unseren Töchtern haben möchten, funktioniert das nicht über Vorwürfe. »Sitzt du schon wieder am Computer?«, »Musst du dich immer so stark schminken?« – bei dieser Art von Fragen können Sie die Klappe förmlich fallen hören. Auch Wörter wie »immer« und »schon wieder« lassen dem anderen keinen Ausweg.
Ebenso geht es mit dem Abfragen von Schulleistungen. Die Frage »Wie war es in der Schule?« wird auch deshalb oft einhellig mit »Wie immer«, beantwortet, weil die Jugendlichen sehr genau spüren, dass die Eltern eigentlich an etwas anderem interessiert sind, nämlich zum Beispiel der Frage: Hast du die Mathearbeit zurück? Und weniger daran, wie es ihnen wirklich ergangen ist, was sie in der Pause erlebt haben und ob sie einen guten Tag hatten.
Kontakt geht nicht auf Knopfdruck und nicht durch Verhöre. Aber wir müssen auch keine Hochleistungen erbringen, uns teure Ausflüge ausdenken, um die Mädchen zu »ködern«. Entscheidend ist, dass wir uns bereithalten und immer wieder Angebote machen, und das können manchmal ganz einfache sein: »Sollen wir mal zusammen Plätzchen backen?«, oder: »Was hältst du von einer Fahrradtour oder einem Ausflug ins Freibad?« Und wenn die Mädchen ablehnen, | 184 | probieren wir es wieder und wieder – ohne uns von der Ablehnung kränken zu lassen. Andere Kontaktmöglichkeiten sind kleine Autofahrten: »Fährst du mit mir in die Stadt?« Wenn sie es einrichten können, tun sie es. Auch im Auto – wenn man sich nicht direkt in die Augen schaut – kommt es manchmal leichter zu einem Gespräch. Als meine Tochter in die Pubertät kam, hatte ich das Gefühl, jetzt müsste ich mehr Zeit zu Hause verbringen als früher. Einfach, um mehr Situationen möglich zu machen, in denen sich mal etwas ergibt. Wenn die Mädchen etwas auf dem Herzen haben, können sie in die Küche kommen oder ins Wohnzimmer, wenn sie wissen, dass dort jemand ist.
Mädchen sind manchmal anders, als
ihre Eltern sich das vorstellen
Es klingt so einfach und trotzdem ist es manchmal schwer. Wenn die Mädchen nicht so sind, wie wir es uns erträumt haben, wenn sie anders sind, dann ist das auch für die Eltern erst mal enttäuschend und kränkend. Sie ist nicht so begabt, dass sie so locker die Schule schafft wie die Nachbarstochter, sie ist nicht so sportlich, nicht so kommunikativ, nicht so musikalisch, all das können Gründe für Enttäuschungen sein. Und das ist verständlich. Ein Vater eines Mädchens mit Trisomie 21 erzählte mir einmal, dass er auch gern ein gesundes Mädchen hätte, mit
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