Das Mädchen-Buch
oder sogar umgebracht wird, weil sie in der Hochzeitsnacht nicht blutet. Ein unfassbar schrecklicher Brauch im Namen der Religion, über deren Mythos dringend aufgeklärt werden muss.
Cool und gelassen
Neben dem Druck, schön sein zu müssen und leistungsfähig, eine gute Freundin zu sein und später eine Familie »hinzukriegen«, haben Psychologen einen Trend ausgemacht, der da lautet: Das muss alles »mit links« passieren. So nebenbei, ohne zu stöhnen und ganz lässig. Der »multiple Perfektionsdruck« junger Mütter heute habe sich durch ein weiteres Ideal erhöht, nämlich das der »Gelassenheit«. 118 Cool sein ist angesagt, auch unter jungen Frauen. »Warum machen sich Menschen cool?«, fragte mal ein Kind in unserer WDR-Hörfunkreihe »Herzfunk«. Andere Kinder wussten: Wenn man sich cool gibt, macht man sich erst mal unverletzlich, unangreifbar, wenn ich mich nicht aufrege und verletzlich zeige, so kann ich auch nicht so gut | 252 | verletzt werden. Das Problem an dieser bemühten Haltung: Es geht damit ein »schleichender Verlust des eigenen Gespürs für Bedeutsamkeiten« einher. Die Gleichgültigkeit könnte sich übertragen auf die eigenen Bedürfnisse und Ängste. Wer »cool« ist, regt sich nicht auf, setzt sich aber auch für nichts ein und kämpft um nichts.
Und so findet sich echtes Engagement (und auch gemeinsame Protestaktionen) immer seltener in beruflichen Zusammenhängen. Arbeitgeber klagen über junge Auszubildende, denen der nötige Elan fehle. Sie entsetzen sich, dass »junge Leute von heute« nicht bereit seien, Überstunden zu machen und für eine Sache zu brennen. Im Alltag über Grenzen zu gehen, sich für etwas über die Maßen zu engagieren erscheint möglicherweise bedrohlich. Wenn ich für etwas brenne und mich engagiere, ist die Gefahr größer, dass ich scheitere, mich »verbrenne«.
Viele Jugendliche und junge Erwachsene laufen scheinbar in der »Spur«. Sie haben ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern, bringen gute Noten nach Hause, kleiden sich konform und relativ unauffällig. Sie wirken in Gesprächen erwachsen, kontrolliert und vernünftig. Auf der anderen Seite beschreibt der Psychologe Stephan Grünewald das »Sich-Entladen« am Wochenende. Kleine Fenster für Entgleisungen würden geöffnet, um Dampf abzulassen. Dann wird gefeiert, »gesoffen« und man ist außer Rand und Band.
Ausprobieren, Scheitern und sich
noch mal rückversichern
Eltern sind nicht komplett abgemeldet, wenn die Töchter achtzehn sind. Oft ist der Übergang fließend. »Wir übernehmen immer mehr Hausarbeiten, Putzen, Kochen, Aufräumen, auch ungefragt«, erzählt die 18-jährige Sarah, deren 19-jährige Schwester schon studiert, aber auch noch zu Hause wohnt. | 253 |
»Das Zusammenleben wird immer mehr WG-artig.« »Es gibt weniger feste Zeiten, in denen alle zuverlässig zu Hause sind, und so auch weniger gemeinsame Mahlzeiten.« Wenn die Mädchen ihre Schritte in die Arbeitswelt machen, sich bewerben, an Schulen oder Ausbildungsorten, möchten sie ihre Eltern als Rückhalt und gleichzeitig die neue Herausforderung alleine bewältigen. Es gibt Sicherheit, wenn einer der Eltern sie zur Aufnahmeprüfung oder zum Bewerbungsgespräch begleitet. Eine Art Rückversicherung. Es wäre allerdings peinlich, wenn sie mit reinkommen und sich aktiv einmischen. Die Eltern sollen da, aber nicht sichtbar sein.
»Ich möchte gerne mit ihnen sprechen, ihre Meinung hören, die eine andere ist als die Meinung meiner Freundinnen, aber entscheiden möchte ich selber. Sie sollen nicht reinreden.«
EVELYN, 18 JAHRE
»Ich möchte nicht, dass ich sofort zu Hause putzen muss, wenn ich gerade das Abi hab«, wünscht sich Corinna, die kurz vor ihrem Abitur steht. Aber sie sieht schon, dass sie mehr zu Hause anpacken wird als früher. Ganz klar ist auch: »Ohne eine finanzielle Unterstützung kämen wir nicht zurecht.« Eltern sind auf jeden Fall noch »Tankstelle«, das waren sie vielleicht in der Zeit vorher auch schon, jetzt aber noch mal mehr. Wenn die Mädchen nicht mehr zu Hause wohnen und eine Ausbildung anfangen, kostet das vor allem Geld. Viele Ausbildungs- und Studiengänge sind so eng getaktet, dass nicht viel Zeit für einen Nebenjob bleibt. | 254 |
Der Ernst des Lebens
Ein warmes Willkommensnest erwartet nicht unbedingt alle jungen Mädchen, die nach der Schule ihren Weg in die Berufswelt antreten.
Von der Schulpolitik wird vorgegeben, dass junge Menschen eine glatte Schullaufbahn und eine glatte
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