Das Mädchen-Buch
Abi« titelten vor einiger Zeit die Zeitungen, weil Experten Alarm schlugen, dass sich jedes fünfte Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren eine Schönheitsoperation wünscht und sich 100.000 junge Menschen unter 20 Jahren jährlich einer Schönheitsoperation unterziehen. Eltern geben dazu ihre Einwilligung. Experten, unter ihnen der Mediziner und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, forderten ein generelles Verbot von Schönheitsoperationen für Kinder und Jugendliche. »In Deutschland hat sich eine Industrie breitgemacht, die die Kehrseite der Castingrepublik darstellt«, hatte Lauterbach festgestellt und sich klar positioniert: »Wer Kindern den Busen vergrößert oder Fettabsaugerei betreibt, ist für mich jenseits der Grenze der Seriosität.« 116 Keine Brust-OP unter 18 fordert auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.
Eine andere Sache sei die Korrektur von abstehenden Ohren, denn manche Kinder belaste es sehr, wenn sie deswegen gehänselt werden. Eine gesetzliche Regelung gibt es aber bislang nicht, weil dadurch das Recht auf Selbstbestimmung, das Recht auf elterliche Sorge und die Berufsfreiheit der Ärzte eingeschränkt würden, erklärten Sprecherinnen von Gesundheits- und Justizministerium. Tatsache bleibt, dass gerade junge Mädchen mit ihrem Körper oft unzufrieden sind. Viele tauschen sich in Foren darüber aus, dass sie ihre Brust zu klein finden und sich dafür schämen. Dazu kommt: Die Schönheitschirurgie ist ein Markt, in dem Ärzte sehr viel Geld verdienen. Der Begriff »Schönheitschirurg« ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das heißt, er garantiert weder eine spezielle Ausbildung noch ausreichend Berufserfahrung. Für Mädchen, besonders wenn sie noch wachsen, kann eine solche Operation unübersehbare | 250 | Folgen nach sich ziehen. Die Narben wachsen mit und vergrößern sich entsprechend. Außerdem kann sich um das Implantat eine Narbe im Gewebe bilden. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich die Brust verhärtet und verformt. Andere Folgen können Taubheitsgefühle und Infektionen sein. Mal ganz abgesehen von dem Skandal um die Brustimplantate der französischen Firma PIP. Rund 500.000 Frauen wurde billiges, nicht zugelassenes Industriesilikon, das dann im Körper Risse bekam, eingesetzt.
Eine Hürde für junge Menschen, die eine Schönheits-OP möchten, ist, dass die Kasse einen solchen Eingriff nur bezahlt, wenn ein Kinder- und Jugendarzt ein Attest schreibt. Das eigentliche Problem, das Mädchen haben, die mit ihrem Körper unzufrieden sind und ihn dauerhaft verändern lassen möchten, wird häufig nicht gesehen. Es geht nicht nur um eine kosmetische Veränderung: In den Medien bekommen die Mädchen retouchierte, »gephotoshopte« junge Models und Stars präsentiert. Manche haben das Gefühl, nicht richtig zu sein, den Normen nicht zu entsprechen und das möchten sie unbedingt. Oft werden innere Unzufriedenheiten, Sorgen, ein Gefühl, nicht beachtet und nicht geliebt zu werden, auf den Körper übertragen. Die Hoffnung ist: »Wenn ich so aussehe, wie die Models in der Werbung, wie die Stars, dann sind alle meine Probleme gelöst. Dann bin ich perfekt.« Der Wunsch, überall perfekt auszusehen, am ganzen Körper, hat auch vor Schamlippen, Scheide und Jungfernhäutchen nicht haltgemacht. Christa Stolle, die Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, sagt dazu: »Bis vor Kurzem stand der Intimbereich nicht zur Disposition für chirurgische Veränderung. Unsere Genitalien waren privat und damit in ihrer Einzigartigkeit genauso annehmbar wie wir selbst.« Kunst und Pornografie hätten das Schönheitsideal für unsere Genitalien geprägt. So entscheiden sich heute zumeist junge Mädchen, dass sie »untenrum« nicht hübsch genug seien. Und sie sparten bis zu 4.000 Euro für eine »schmallippige, haarlose, farblich unauffällige, | 251 | geschlossene und somit kindliche Designermöse wie aus dem Hause Mattel geschnitzt«. 117
Mythos Jungfernhäutchen
Anders ist es mit der Hymenrekonstruktion. Häufig lassen sich muslimische Frauen den Hymensaum ausbauen und die Vaginalöffnung verengen, so dass sie in der Hochzeitsnacht bluten. Sie nehmen in Kauf, dass beim nächsten Geschlechtsverkehr innere Verletzungen entstehen. So, meint man, sei bewiesen, dass die Mädchen Jungfrauen seien. Das ist ein »Märchen«. Viele Mädchen bluten beim ersten Sex nicht.
Ein verständlicher Schritt für eine junge Frau, die befürchten muss, dass sie von ihrer Familie verstoßen
Weitere Kostenlose Bücher