Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
der hinter ihnen im Türrahmen erschienen war.
Isacco bemerkte, dass der Hauptmann verlegen war. Er nahm an, es läge daran, dass Marianna sich wie eine Hure benahm und jeden, der an ihrem Lager erschien, für einen Kunden hielt.
Marianna lachte. »Lanzafame? Was für ein schrecklicher Name!« Sie lachte wieder. »Ich werde dich Hauptmann nennen. Ich kann nicht mit dir vögeln, wenn ich dich bei diesem lächerlichen Namen nennen muss.«
Isacco sah den Hauptmann an, dessen Augen feucht glänzten. Aber vielleicht war daran auch der Malvasier schuld, den er schon so früh am Morgen in sich hineingeschüttet hatte. »Ihr solltet nicht so viel trinken«, sagte er.
»Ach, lass mich in Ruhe!«, schimpfte der Hauptmann und verließ das Zimmer.
Isacco wusste, warum der Mann trank. Er glaubte, der Wein würde den Schmerz von ihm fernhalten. Und jetzt verstand Isacco auch, warum Lanzafame so verlegen über Mariannas Fieberfantasien war. Sie durchlebte wieder und wieder ihre erste Begegnung. Sie erinnerte sich an alle Einzelheiten dieses Treffens, das offensichtlich ihrer beider Leben grundlegend verändert hatte.
»Eine Stunde oder die ganze Nacht, was ist jetzt, mein hübscher Hauptmann?«
»Das ganze Leben«, sagte Isacco leise und gab Acht, dass Lanzafame es nicht hörte.
Ein Ruck ging durch die Prostituierte. Ihre im Delirium versunkenen Augen wurden wieder klar. Sie sah Isacco an und erkannte ihn. »Doktor …«, sagte sie leicht besorgt, »wo ist Andrea?«
»Wie fühlt Ihr Euch, Marianna?«, fragte Isacco sie.
Die Hure umklammerte seinen Arm mit zitternden Händen. »Wo ist Andrea?«, wiederholte sie.
»Er ist hier. Ich rufe ihn für Euch«, sagte Isacco, stand auf und ging ins Wohnzimmer. »Hauptmann … sie verlangt nach Euch.«
Lanzafame rührte sich nicht sofort. Er nahm erst einen tiefen Zug aus einer Flasche, bevor er zur Tür des Nebenraums ging. »Was willst du?«, fragte er barsch.
»Andrea …«, sagte Marianna und streckte eine Hand nach ihm aus.
Der Hauptmann blieb zögernd auf der Schwelle stehen.
»Komm schon her …«
Lanzafame trat ans Bett heran.
»Setz dich.«
Lanzafame gehorchte.
Marianna streichelte ihm über das Gesicht. »Du hast dich nicht rasiert, wie immer …« Sie lächelte müde. »Wenn du mir so zwischen meine Beine gehst, kitzelst du mich.«
Der Hauptmann schwieg.
Marianna nahm seine Hand und führte sie an ihre Brust. »Hab keine Angst«, sagte sie zu ihm.
Lanzafame lachte gezwungen auf. »Wovor sollte ich denn Angst haben?«
»Hab keine Angst«, sagte Marianna wieder und sah ihn mit strahlenden Augen an. »Ich habe von unserem ersten Mal geträumt, weißt du?«
»Ach ja?«, erwiderte Lanzafame, als hätte er sie nicht in ihren Fieberfantasien gehört.
»Im Traum habe ich dich gefragt, ob du eine Stunde oder die ganze Nacht mit mir verbringen willst … und du hast zu mir gesagt: ›Das ganze Leben.‹«
Der Hauptmann erwiderte nichts.
»Andrea … ich sterbe …«
»Red kein dummes Zeug …«
»Doch, ich sterbe …«
»Unkraut vergeht nicht …«
»Hör zu, Andrea …«
Der Hauptmann hielt ihre Hand.
»Ich will, dass du einen Priester rufst …«
»Denk doch jetzt nicht an einen Priester …«
»Ich will, dass du einen Priester rufst und ihm sagst …« Marianna stöhnte vor Anstrengung.
»Was …?«
»… und ihm sagst … dass er uns verheiraten soll …«
Einen kurzen Moment herrschte Stille, dann fuhr der Hauptmann auf. »Du dreckige Schlampe, versuch nicht, mich aufs Kreuz zu legen!«, brüllte er. »Versuch ja nicht, mich aufs Kreuz zu legen!«
Isacco erschien in der Tür. »Was geht hier vor?«
»Sie tut, als ob sie sterben müsste, um mich zur Heirat zu zwingen und mich lebenslänglich an sich zu fesseln, das geht hier vor!«, knurrte Lanzafame. »Einmal Hure, immer Hure!« Er ging zur Tür, stieß Isacco rüde beiseite und eilte hinaus. »Aus dem Weg!«, schrie er die Dienerin an. »Ich bin in der Schenke. Und ruft mich bloß, wenn sie wirklich stirbt.« Mit diesen Worten verließ er türenknallend die Wohnung.
Die stumme Dienerin betrat das Schlafzimmer. Wütend kniff sie die Augen zusammen, doch als sie sah, dass Isacco sich wieder auf die Bettkante gesetzt hatte, blieb sie etwas abseits stehen.
»Die ganze Nacht oder bloß eine Stunde, mein hübscher Hauptmann?«, fragte Marianna, als sie nach einer Weile wieder in ihren Fiebertraum versunken war.
»Das ganze Leben«, flüsterte Isacco.
Die Hure lächelte. Dann schlief sie ein.
Isacco
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