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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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in unserer Sprache tut«, erklärte sie. »Wenn nicht jeder bemerken soll, dass du Jude bist, musst du lernen, auf solche Kleinigkeiten zu achten.« Sie lächelte.
    Shimon fühlte, dass sie ihm keinen Vorwurf machte.
    »Und wenn du deinen Namen schreibst, betone nicht, dass du Christ bist.« Ester lachte fröhlich. »Christen müssen sich nicht rechtfertigen.«
    Shimon sah sie an und leugnete nichts. Er empfand das seltsame Gefühl, ihm sei eine große Last von den Schultern genommen. Oder als würde im Gegenteil gerade seine ganze Erschöpfung über ihn hereinbrechen. Ich werde mich verbergen, dachte er wieder, die Übersetzung des Namens Ester.
    »Hab keine Angst, ich werde es niemandem verraten«, sagte Ester und lächelte ihn verständnisvoll an.
    Shimon merkte, dass er nicht einen Moment befürchtet hatte, Ester könnte ihn verraten. Diese Frau konnte verborgene Gefühle an die Oberfläche bringen. Und Sünden verzeihen. Er bedeutete ihr, dass er sie gern nach Hause begleiten würde.
    Ester nickte und schritt langsam vorwärts.
    Unterwegs berührte Shimon mit der Hand verstohlen ihr Kleid.
    Ester sagte kein Wort, bis sie das bescheidene, aber solide zweistöckige Haus erreichten, in dem sie wohnte. Dort blieb sie stehen und sah Shimon eindringlich an.
    »Es war nett von dir, das Schweinefleisch abzulehnen«, sagte sie.
    Shimon runzelte verblüfft die Augenbrauen, als verlangte er eine Erklärung von ihr.
    Doch Ester lächelte nur stumm. Sie öffnete die Tür. Dann senkte sie den Kopf und sagte leise: »Ich hoffe, dass du noch viel für den Wirt aufschreiben musst.« Sie errötete nicht, als sie den Kopf hob und ihn ansah.
    Also werden wir uns wiedersehen, dachte Shimon. Und der Gedanke machte ihm keine Angst, ebenso wenig wie Ester ihm Angst machte.
    Am nächsten Tag schrieb Shimon einen kurzen Satz auf und gab das Blatt dem Wirt. Der ließ Ester rufen.
    ICH WERDE NOCH EINIGE TAGE BLEIBEN, las Ester laut, und ihre tiefgrünen Augen leuchteten heiter auf.

34
    D onnola stand in der Tür zu Giudittas Zimmer. Wie jeden Tag saß sie da und nähte. Auf dem Boden vor ihr lagen mindestens fünf oder sechs gelbe Hüte in verschiedenen Formen, die aus den unterschiedlichsten Stoffen zusammengefügt waren.
    »Guten Tag, Giuditta.«
    Das Mädchen antwortete mit einem abwesenden Lächeln, ohne von ihrer Näharbeit aufzusehen.
    Donnola schüttelte nur stumm den Kopf und lief dann den langen Flur der Wohnung entlang, in der er mit dem Doktor und seiner Tochter lebte. Er hatte ein Zimmer ganz für sich allein mit einem großen, weichen Bett. Und einer warmen Decke. Etwas Ähnliches hatte er nie zuvor besessen, ja, er hatte sich nicht einmal vorstellen können, wie angenehm es wäre, mit anderen Menschen zusammenzuleben und mit jedem Tag mehr zu einer Art Familie zusammenzuwachsen. Als er endlich zur Haustür kam, erwartete Isacco ihn bereits ungeduldig.
    »Doktor, ich muss Euch etwas Wichtiges sagen …«, begann Donnola.
    »Erzähl es mir unterwegs«, sagte Isacco, öffnete die Tür und wollte schon die breite Treppe hinunter.
    »Ich mache mir Sorgen um Giuditta, Doktor«, begann Donnola von Neuem.
    »Ach ja …«, sagte Isacco abwesend, während er beim Hinuntergehen in seiner Tasche kramte, in der er Arzneien und Salben mit sich trug.
    »Sie verbringt den ganzen Tag mit Nähen, isst kaum etwas, sieht immer traurig aus, und mir kommt es vor, als würde diese Traurigkeit mit jedem Tag schlimmer werden …«
    »Ja, ja, verstehe …« Isacco trat durch das große, bogenförmige Tor mit den zwei Säulen, auf denen zwei Marmoraffen thronten.
    »Sie hat Liebeskummer …«, fuhr Donnola fort, während er hinter ihm her eilte. »Und ich glaube, dass dieser Junge irgendwie damit zu tun hat, dieser Mercurio, Ihr wisst schon, wen ich meine. Ich habe übrigens herausgefunden, dass er überhaupt kein Priester ist, wie er uns allen weisgemacht hat …«
    »Ja …«, erwiderte Isacco immer noch abwesend, während er mit großen Schritten immer zwei der kleinen Stufen eines schmalen Steinbrückchens auf einmal nahm und dann weiter durch die Menge eilte, die schon zu dieser frühen Stunde die Gassen Venedigs füllte.
    »Ich habe gehört, dass er für einen gewissen Scarabello arbeitet. Kein guter Mensch, aber ziemlich mächtig. Er herrscht über alle Verbrecher von Rialto.«
    »Sehr gut …«
    Donnola schnaubte empört. »Doktor, Ihr habt mir gesagt, dass ich diesen Jungen von Euch und Eurer Tochter fernhalten soll. Aber seit zehn Tagen

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