Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
der Fürst gerade.
Mercurio beobachtete sie wieder durchs Fenster. Der Mann, der ihm den Rücken zugewandt hatte, versperrte ihm zwar den Großteil der Sicht, aber er konnte trotzdem erkennen, dass der Fürst dem Mönch eine öffentliche Bekanntmachung zugeschoben hatte. Fra’ Amadeo nahm sich eine Kerze und las leise vor sich hin. Je weiter er las, desto größer wurden seine Augen.
»Kann das wahr sein?«, rief er triumphierend, nachdem er zu Ende gelesen hatte.
»Ich hatte dir doch versprochen, dass ich dich bei deinem Kampf unterstützen würde, Mönch«, sagte der Fürst. »Und das ist erst der Anfang. Die Juden werden bekommen, was sie verdienen.«
Der Mönch kniete vor ihm nieder und küsste seine Hand, die der Fürst ihm gern überließ. »Das ist der Wille unseres Herrn Jesus Christus!«, rief er. »Und Ihr seid sein geliebter Apostel, Euer Gnaden!«
»Das hat mich auch eine ordentliche Stange Geld und viel Mühe gekostet«, bemerkte der Fürst.
Instinktiv wusste Mercurio, dass der Fürst log. Er begriff zwar nicht, worüber die beiden redeten, aber er war sicher, dass der Fürst sich auf jeden Fall einer Sache rühmte, die keineswegs auf sein Betreiben hin zustande gekommen war.
»Und das ist erst der Anfang, Mönch, das ist erst der Anfang …«, jubelte der Fürst.
»Gott wird es Euch lohnen, Euer Gnaden«, sagte der Mönch. Dann packte er Zolfo am Ärmel und nötigte ihn, ebenfalls niederzuknien. »Küss die Hand unseres Beschützers.«
Mercurio sah, wie Zolfo widerwillig gehorchte. Vielleicht bist du ja nicht ganz so dumm, wie ich angenommen habe, dachte er bei sich.
»Und jetzt, wo du weißt, wer ich bin und wie sehr ich dein Anliegen fördern kann, Mönch«, fuhr der Fürst fort, »möchte ich, dass du dir anhörst, was ich von dir erwarte, damit dein Kreuzzug, der jetzt auch der meine ist, zu einem großartigen Ende kommt.«
»Wie Ihr befehlt«, sagte Bruder Amadeo, der immer noch den Kopf gesenkt hielt. »Gott selbst spricht durch Euren Mund. Und könnte dieser demütige Diener Gott einen Wunsch abschlagen?«
»Was für ein Blödsinn …«, entfuhr es Mercurio halblaut.
Der Mann am Fenster drehte sich blitzartig um. Mercurio drückte sich wieder an die Mauer, aber er war nicht schnell genug.
»Ich weiß, wer du bist!«, schrie der Mann plötzlich, riss das Fenster auf und versuchte, ihn zu packen.
Mercurio floh eilig Richtung Ruga del Vin. Er hörte, wie hinter ihm die Tür geöffnet und zugeschlagen wurde, wusste aber auch, dass sein Vorsprung zu groß war, als dass sie ihn hätten einholen können. Er lief am Ufer entlang bis zur Rialtobrücke und mischte sich dort unter die Menge. Hier wagte er es endlich, sich umzublicken, konnte aber niemanden entdecken. Dann lief er schnell zum Gasthaus Zur Roten Laterne.
»Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«, fragte Benedetta, als sie ihn auf einmal in dem Zimmer vor sich stehen sah, das sie sich bis vor wenigen Tagen geteilt hatten.
Mercurio blieb schweigend an der Tür stehen. Dann schloss er sie langsam hinter sich.
Benedetta wirkte müde, unter ihren Augen lagen Schatten. Ihr Gewand war vollkommen zerknittert, und im Zimmer stank es.
»Du hast doch gehört, was Scarabello mir befohlen hat«, rechtfertigte sich Mercurio schließlich. »Ich sollte mich für eine Weile von Venedig fernhalten …«
»Wir waren sonst immer die ganze Zeit zusammen …«, sagte Benedetta.
»Wenn du denkst, ich will dir dein Geld wegnehmen …«
»Das habe ich nicht gesagt«, unterbrach Benedetta ihn gekränkt.
Mercurio nickte verlegen. In den letzten zehn Tagen hatte er oft an ihren Kuss und an Benedettas warme, weiche Brüste gedacht.
»Wovor hast du Angst?«, fragte Benedetta. Schmerz lag in ihrem Blick und auch Schmach, weil sie von ihm zurückgewiesen worden war. Dann lachte sie spöttisch, um ihre Gefühle zu verbergen. »Was hast du denn gedacht? Dass ich das ernst meine? Du bist wirklich nur ein dummer kleiner Junge.«
»Hör mal … Es tut mir leid … Ich …«
»Hör schon auf.« Benedetta zuckte mit den Schultern und lachte wieder gezwungen, als würde das Ganze sie nicht berühren. Sie betrachtete Mercurio. Er sieht wirklich gut aus, dachte sie. Sie spürte, wie der Kloß in ihrer Kehle immer größer wurde, und befürchtete, jeden Moment in Tränen auszubrechen. Daher lachte sie noch einmal schrill und schlug sich derb auf die Schenkel. »Du fällst doch wirklich auf jeden Mist rein.«
»Nein, wirklich, Benedetta … Es tut mir leid«,
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