Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
wiederholte Mercurio.
Nun wusste Benedetta, dass sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Hastig trat sie auf ihn zu und versetzte ihm einen Stoß. »Verschwinde«, sagte sie. Dann ging sie zur Waschschüssel und tat so, als müsste sie sich das Gesicht säubern.
»Ich habe Zolfo gesehen«, wechselte Mercurio nun hastig das Thema.
»Wo?«, fragte Benedetta und wandte sich noch im Abtrocknen um. Dabei fiel ihr eine ihrer kupferroten Locken in die Stirn.
Mercurio ging durch den Kopf, dass sie eine echte Schönheit war. »Du wirst bald einen Haufen Verehrer haben«, sagte er zu ihr.
»Ach, leck mich doch!«, fuhr Benedetta auf. »Du kannst mich wirklich mal, Mercurio.«
»Was habe ich denn jetzt wieder gesagt?«
Benedetta betrachtete ihn schweigend. Er würde sie niemals als Frau sehen, dachte sie, selbst wenn sie splitternackt vor ihm stünde. Ein schmerzhafter Stich fuhr ihr durch die Brust. »Also? Wo hast du diesen Dummkopf gesehen?«
»Er lebt mit dem verrückten Mönch in einer Erdgeschosswohnung in der Calle del Sturion, hinter der Ruga Vecchia San Giovanni …«
»Wirklich …?«
»Ich habe ihn auf dem Weg hierher gesehen. Und weißt du, wer ihn besucht hat?«
»Wer?« Benedetta fiel es nicht leicht, sich mit ihm zu unterhalten, als ob nichts geschehen wäre.
»Der Fürst …«
Wieder krümmte sich Benedetta innerlich, und ein Schauder lief ihr den Rücken hinunter. Sie musste an ihre Mutter denken. Und erneut fühlte sie sich schmutzig.
»Dieser verrückte Fürst … Ich weiß seinen Namen nicht mehr …«
»Contarini«, sagte Benedetta leise.
»Ach ja, genau, Contarini, sehr gut.«
»Rinaldo Contarini …«, flüsterte Benedetta. Sie drehte sich weg, ging zu einem Holzkästchen, das auf dem Boden stand, nahm eine lange Haarnadel daraus und steckte sich die Haare zu einem lässigen Knoten hoch.
»Sie hecken irgendetwas aus«, fuhr Mercurio fort, ohne zu bemerken, wie aufgewühlt Benedetta war. »Sie hatten eine öffentliche Bekanntmachung in der Hand und unterhielten sich darüber, dass die Juden das ja wohl verdient hätten … Aber ich habe nicht verstanden, worum es ging. Der Mönch war hochzufrieden, und der Krüppel hat ihm gesagt, dass er ihm helfen wird. Sie sind ein schlimmes Paar … Die zwei zusammen können einem richtig Angst machen.«
»Wo bist du die letzten Tage gewesen?«, fragte Benedetta unvermittelt.
»Außerhalb der Stadt.«
»Wo?«
»Warum willst du das wissen?«
»Wir sind sonst immer zusammen gewesen.«
»Das hast du bereits gesagt.«
»Du kannst mich mal, Mercurio.«
»Das hast du auch schon gesagt.«
»Wir sind ein Paar.«
»Und was heißt das …?«, fragte Mercurio und fühlte sich plötzlich unbehaglich.
»Ganz ruhig, du Riesendummkopf«, sagte Benedetta, die erneut gegen ihre Enttäuschung über Mercurios Zurückweisung ankämpfte. »Wir sind ein Betrügerpärchen. Hast du das vergessen?«
»Nein …«
»Und deshalb müssen wir zusammenbleiben. Wo du hingehst, dahin gehe auch ich.«
»Du kannst da nicht hin, wo ich jetzt wohne …«, sagte Mercurio.
»Warum nicht?«
Mercurio hatte nie jemanden wie Anna gehabt. »Eben darum!«, entgegnete er knapp. Aber dann bereute er sofort, ihr so barsch geantwortet zu haben, und fügte hinzu: »Aber ich komme jeden Tag nach Venedig, also können wir …«
»Jaja, ich habe schon gehört, dass da so ein Idiot überall herumfragt und nach Donnola sucht«, erwiderte Benedetta. Sie dachte, dass sie besser nicht weiter nachbohren sollte, aber sie schaffte es nicht. »Warum suchst du ihn denn?«, fuhr sie ihn an.
»Einfach so …«, erwiderte Mercurio ausweichend. »Hör mal, Benedetta … Ich versuche gerade, mein Leben zu ändern … Zumindest glaube ich das … Also nicht jetzt gleich, aber … Hast du je darüber nachgedacht?«
»Worüber?«, fragte Benedetta vorsichtig zurück.
»Dein Leben zu verändern.«
»Ich habe mein Leben verändert. Früher habe ich in Rom gelebt, und jetzt bin ich hier in Venedig. Früher habe ich mein Geld diesem Ekel Scavamorto gegeben und in einer Hütte gelebt, wo mir geile Hurenböcke ständig an den Hintern gefasst haben, und jetzt wohne ich in einem miesen, heruntergekommenen Gasthaus mit einem, der Angst vor meinen Titten hat …« Sie hielt inne. »Das war bloß ein Scherz«, sagte sie errötend. »Also, der letzte Teil.«
Mercurio holte aus seiner Tasche den Beutel hervor, in dem er die Goldmünzen aus ihrem ersten gemeinsamen Beutezug aufbewahrte. Er zählte
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