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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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als Mutter vorzustellen. Und vielleicht glaubte ja auch Octavia, die selbst keine Kinder hatte, ihr eine Mutter sein zu können. Doch Giuditta brauchte keine Mutter, auch wenn sie nie eine gehabt hatte. »Willst du meine Freundin sein?«, fragte sie plötzlich.
    Octavia neigte überrascht den Kopf. »Aber das bin ich doch«, erwiderte sie.
    »Wirklich?«
    »Ja, ganz bestimmt.«
    Giuditta drückte Octavias Hand. »Ich bin stolz auf meinen Vater. Was er tut, ist wirklich sehr wichtig«, sagte sie und sah Octavia eindringlich an.
    Octavia erwiderte den Blick. Dann nickte sie bedächtig. »Ich bin nicht mutig. Schlau, intelligent, geschäftstüchtig, das schon … Aber es gelingt mir nicht immer, nur auf das zu hören, was mir mein Kopf und mein Herz sagen.«
    »Ich will nicht, dass sich die Gemeinde zwischen uns stellt«, sagte Giuditta.
    »Ja, du hast recht«, antwortete Octavia.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Giuditta lächelnd.
    »Was meinst du damit?«
    »Du bist doch schlau, intelligent und geschäftstüchtig, oder? Wie lösen wir das Problem mit den Hüten?«, fragte Giuditta lachend.
    Octavia umarmte sie. »Dafür habe ich schon eine Lösung.«
    »Erzähl!«
    »Wir lassen uns von den Frauen helfen. Sie sollen für uns arbeiten. Und wir werden sie pro Hut bezahlen«, erklärte Octavia.
    »Und was werden ihre Männer sagen?«, wandte Giuditta ein. »Und die Gemeinde?«
    »Darüber denken wir später nach, jag mir bloß keine Angst ein«, sagte Octavia mit einem Augenzwinkern. »Nein, das wird deine Aufgabe sein. Ich bin ja nur die Schlaue und Geschäftstüchtige. Du bist die mutige Rebellin.«
    Giuditta lachte hell auf. »Dann fertigen wir eben Hüte in allen Farben an, nicht nur gelbe für Juden.«
    Octavia schlug die Hand vor den Mund. »Bist du verrückt geworden? Wir dürfen nicht an Christen verkaufen! Die drei Hüte, die ich losschlagen konnte, die zählen ja eigentlich nicht. Die Frauen haben schließlich von sich aus danach gefragt. Aber so richtig ein Geschäft daraus zu machen, das ist etwas ganz anderes. Das ist ernst.«
    Giuditta lächelte. »Darüber habe ich nachgedacht. Also, die Christen erlauben uns doch nur drei Berufe. Und das sind welche?«
    Octavia sagte kopfschüttelnd: »Das weißt du selbst ganz genau …«
    »Los, sag schon, welche«, drängte Giuditta sie.
    »Geldverleiher …«, begann Octavia zögernd.
    »Und?«
    »Arzt …«
    »Und …«
    »Altkleiderhändler.«
    Giuditta lächelte zufrieden. »Ja, genau, Altkleiderhändler! Und was tun die?«
    »Sie verkaufen gebrauchte Ware. Aber ich verstehe einfach nicht …«
    »Kann ich den hier einer Christin verkaufen?«, unterbrach Giuditta sie und schwenkte einen vor Kurzem genähten Hut durch die Luft.
    »Nein, natürlich nicht!«
    »Und warum nicht?«
    »Das ist doch klar! Weil es ein neuer Hut ist und …«
    »Warte ab«, sagte Giuditta. Sie nahm die Nadel, stach sich in eine Fingerkuppe und drückte sie zusammen, bis ein dicker Blutstropfen herausquoll. »Sieh doch, Octavia«, sagte sie und legte die blutige Fingerkuppe auf das Innere des Hutes. Der Stoff färbte sich rot.
    »Was tust du da?«, fragte Octavia.
    »Ist der Hut noch neu? Oder ist er gebraucht?«, fragte Giuditta triumphierend.
    Octavia riss den Mund auf vor Erstaunen. »Du bist eine Teufelin, Giuditta di Negroponte«, rief sie dann und lachte laut.
    »Ich will auch Kleider anfertigen, Octavia. Kleider, die zu den Hüten passen«, fuhr Giuditta fort, und ihre Augen glühten leidenschaftlich. »Daran denke ich schon lange. Wenn wir gelbe Hüte tragen müssen, sollten wir unsere Kleider daran anpassen und nicht umgekehrt, so wie das die freien Leute machen.«
    Octavia sah sie bewundernd an und nickte. »Wir könnten mehr Geld verdienen als unsere Männer, ist dir das klar?«
    »Nein, ich bin nicht gut im Rechnen.«
    »Das mit dem Geld könnte ein größeres Problem werden als die Tatsache, dass wir wie Männer arbeiten«, sagte Octavia nachdenklich.
    »Mein Vater wird sich hinter mich stellen«, sagte Giuditta.
    Octavia sah sie an. »Gut, wir werden darüber nachdenken.« Sie lächelte, wenn auch etwas zögerlich, denn diese Überlegungen hatten sie verschreckt.
    »Und wir müssen auch noch einen Namen für unser Geschäft finden«, erklärte Giuditta aufgeregt.
    »Was für einen Namen? Etwa Giuditta die Trödlerin? Oder Giuditta und Octavia, die Trödlerinnen vom Ghetto Nuovo?«, fragte Octavia.
    Giuditta nahm den Schmetterling aus Silberfiligran, den sie von Mercurio

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