Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
einigen Tagen an dem kleinen Fenster zum Platz entdeckt und bei etwas beobachtet hatte, was er nicht begriff. Sie hatte einen Finger zum Himmel ausgestreckt, als wollte sie auf etwas zeigen, und war eine ganze Weile so stehen geblieben, ehe sie wieder zurück ins Zimmer getreten war.
Mercurio steckte den Dietrich ins Schlüsselloch und bewegte ihn darin.
Er hatte ihn gerade eingehakt und wollte nun das Schloss öffnen, als die Tür von innen aufgerissen wurde. Als Erstes sah er ein drohend erhobenes langes Messer.
»Halt, ich bin’s doch«, sagte Mercurio schnell und wich zurück.
Giuditta stand in einem bodenlangen Nachtgewand aus gewalkter Wolle in der Tür, und ihr Gesicht wirkte im Schein des Kerzenlichts geisterhaft blass. »Du …«, sagte sie leise, und die eben ausgestandene Furcht trieb ihr Tränen in die Augen. Doch dann wich die Angst einer Art Wutanfall, und ohne es zu merken, richtete sie das Messer auf ihn wie einen anklagenden Zeigefinger. »Du …«
»Psst, nicht so laut …«, flüsterte Mercurio und drehte mit der Hand die Spitze des Messers von sich weg. »Nicht so laut …«
»Du hast mir einen Todesschrecken eingejagt«, zischte Giuditta.
»Das tut mir leid …«, sagte Mercurio leise und kam einen Schritt näher.
»Was willst du hier …?«, fragte Giuditta. Sie war vollkommen durcheinander, überrascht und gerührt zugleich. Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihre schreckgeweiteten Augen vermochten sich nicht von dem Jungen zu lösen, den sie so sehr herbeigesehnt hatte.
»Ich wollte dich sehen …«, sagte Mercurio. Er stand nun so nahe bei ihr, dass es ihm beinahe den Atem verschlug.
»Wie hast du das geschafft …?«, flüsterte Giuditta und ließ das Messer fallen, das sich mit einem dumpfen Laut in die knarrenden Bohlen des Bodens bohrte.
»Ich wollte dich sehen«, wiederholte Mercurio und überwand den letzten Abstand, der sie noch voneinander trennte. »Ich konnte nicht länger warten …«
»Du bist meinetwegen ins Ghetto eingedrungen …«, flüsterte Giuditta mit leicht geöffneten Lippen.
»Ja …« Mercurios Mund näherte sich ihrem.
»Ich hatte solche Angst …«, seufzte Giuditta und sah ihm tief in die Augen.
»Das tut mir leid …«
Mercurios Lippen legten sich auf ihren Mund. Dann schlang er wie selbstverständlich die Arme um Giuditta und streichelte ihren Rücken, während sie ihre Hände um seine Taille legte. Sie klammerte sich an ihm fest, als wollte sie sich niemals mehr von ihm trennen. Ihre Lippen öffneten sich und bewegten sich wie von selbst in einem leidenschaftlichen Kuss. Ihre Hände gaben nun jede Zurückhaltung auf, suchten und ertasteten den Körper des anderen, kniffen und liebkosten ihn. Und dieser neue Reiz verführte sie dazu, sich weiter vorzuwagen. Ihre Zungen umspielten einander, drangen suchend in den Mund des anderen ein.
Bis sie auf einmal gleichzeitig innehielten und einander keuchend mit weit geöffneten Augen anstarrten. Ihre Lippen glänzten feucht im Kerzenschein. So standen sie eine Weile regungslos da.
Alle beide spürten sie das Verlangen in sich, zum Greifen nah. Dieses unbändige Verlangen, dass sie zu Mann und Frau machte.
»Ich habe es noch nie getan«, flüsterte Giuditta.
»Ich auch nicht«, sagte Mercurio leise.
»Hast du Angst?«
»Nein. Jetzt nicht. Und du?«
»Nein … jetzt nicht.«
Auge in Auge blieben die beiden stehen, ihr leidenschaftlicher Kuss brannte ihnen noch immer auf den Lippen.
»Willst du … mich sehen?«, fragte Giuditta schließlich schüchtern.
Mercurio nickte langsam.
Daraufhin löste Giuditta das Band am Ausschnitt ihres Nachthemds, ohne Mercurio auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, und ließ es zu Boden sinken. Sie errötete leicht, bedeckte sich aber nicht.
»Du bist wunderschön …«, sagte Mercurio atemlos.
»Was soll ich tun?«, fragte Giuditta.
Mercurio breitete das Nachthemd auf dem Treppenabsatz aus, zog Giuditta an sich und lehnte die Tür an. Dann ließ er sich sanft mit ihr zu Boden gleiten.
»Ist dir kalt?«, fragte er sie.
»Ein bisschen …«
Mercurio legte sich auf sie, sodass er sie mit seinem Körper und seinem Umhang bedeckte.
»Und jetzt?«
Er küsste sie, und bei diesem Kuss spürte er, wie sein Körper reagierte und er hart wurde. Und Giuditta fühlte, wie ihr Körper sich allmählich entspannte. Mercurio ließ die Hände über ihre Brüste gleiten, er zwickte sie sanft in die Brustknospen, woraufhin sie sich aus ihrem innigen Kuss
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