Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
den Kopf zur Seite und ließ ihren Blick über das unruhige Kerzenlicht schweifen, das aus der angelehnten Tür zu ihnen herüber drang.
    Mercurio fühlte, dass sie ihm entglitt. »Jetzt bringe ich dich von hier fort«, sagte er schnell. Seine Stimme klang gepresst und ein wenig schrill, und er drehte ihr Gesicht zu ihm, bis sich ihre Augen begegneten. Er hoffte, dass Giuditta in der Dunkelheit nicht bemerkte, dass seine Wangen feuerrot waren, denn er fühlte genau, wie heiß sie geworden waren. Doch er hatte gesiegt. Er hatte es ihr gesagt. Und nun, da er dieses scheinbar unüberwindliche Hindernis genommen hatte, durchströmte ihn ein unbändiges Glücksgefühl. »Ich habe ein Schiff.« Er dachte an das Wrack von Zuan dell’Olmo. »Na ja, es ist kein Prachtstück.« Mercurio musste lächeln. »Aber ich habe eine Arbeit. Ich werde das Schiff herrichten, und dann bringe ich dich von hier fort«, wiederholte er leidenschaftlich.
    »Psst, sei leise«, mahnte ihn Giuditta lächelnd und legte ihm einen Finger auf den Mund.
    Mercurio sah, dass nun ein anderes Licht ihre Augen erfüllte. Er küsste ihren Finger, ihre Hand, näherte sich ihrem Gesicht und küsste sie wieder auf den Mund. »Du schmeckst gut«, sagte er.
    Giuditta senkte die Lider ein wenig.
    »Aber du musst dir was anziehen, sonst erfrierst du wirklich noch.« Als er sich von ihr löste, spürte er plötzlich ein Gefühl von Leere. »Nur noch einen Augenblick«, flüsterte er und legte sich wieder auf sie. »Nur noch einen Augenblick.« Und er begriff, dass er sich nur mit ihr vollkommen fühlte, auch wenn er noch nicht die Kraft hatte, ihr das zu sagen. Er küsste sie leidenschaftlich und zitternd vor Lust, während Giudittas Finger ihm zärtlich durch die Haare fuhren. Dann stand er auf und streckte ihr eine Hand entgegen. Jetzt, da sie eins mit ihm geworden war, erschien sie ihm noch schöner. Und ohne zu wissen, warum, schämte er sich dieses Gedankens. »Komm schon, zieh dir etwas über«, forderte er sie auf.
    »Hast du schon genug von mir gesehen?«, fragte Giuditta kaum hörbar und errötete bis in die Haarspitzen, wie sie da auf ihrem Nachthemd lag, nackt, mit von der Kälte aufgerichteten Brustknospen.
    Mercurio nahm ihre Hand und zog sie daran hoch. Er half ihr, sich das Nachthemd überzustreifen, und erinnerte sich dabei an seinen Tag im Arsenal, als er gesehen hatte, wie das Schiff Gestalt annahm und er daran denken musste, dass er Giuditta eines Tages beim Anziehen zusehen würde. Er lachte.
    »Warum lachst du?«, fragte Giuditta.
    »Weil ich mir diesen Moment hier schon vorgestellt habe«, erklärte Mercurio und zog sie an sich. Dann ließ er Giuditta auf der obersten Stufe Platz nehmen und hüllte sie in seinen Umhang. Er setzte sich neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter.
    »Komm auch mit darunter«, sagte Giuditta und öffnete den Umhang.
    Mercurio rückte noch näher an sie heran. Er spürte ihren warmen Körper und konnte kaum glauben, dass er diesen wunderschönen Augenblick wirklich erlebte. »Ich werde dich von hier fortbringen«, wiederholte er noch energischer. »Ich ertrage nicht, dass du eingesperrt leben musst.«
    Giuditta legte ihren Kopf auf seine Schulter und strahlte ihn glücklich an. »Aber so fühle ich mich nicht«, sagte sie dann.
    »Bist du hier etwa nicht eingesperrt?«, schnaubte Mercurio. »Ich weiß genau, was es heißt, so zu leben. Im Waisenhaus war ich eingesperrt, ich wurde geschlagen und ausgepeitscht. Einige von uns wurden nachts sogar ans Bett gefesselt. Und auch, als Scavamorto mich gekauft hatte …« Mercurio fühlte, wie das Blut wieder in ihm aufwallte, doch zum ersten Mal schmerzte ihn diese Erinnerung nur noch, er empfand keine Wut mehr. Und er wusste, dass er das Giuditta verdankte. Er wandte sich ihr zu und stellte fest, dass sie ihn mit Tränen in den Augen ansah.
    »Wie?«, fragte sie entsetzt.
    »Ich weiß eben, wie das ist, wenn man eingesperrt ist. Und ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen.«
    Giuditta nahm seine Hand, führte sie an ihre Lippen und küsste sie. Dann legte sie sie an ihre Wange. »Danke. Aber ich fühle mich hier nicht eingesperrt. Ja, anfangs vielleicht. Da hatte ich auch Angst, aber ich weiß nicht mehr, wovor ich mich da gefürchtet habe. Vielleicht davor, dass es schlimmer werden könnte. Aber jetzt fühle ich mich hier nicht mehr eingesperrt …«
    »Wie kannst du das nur ertragen?«, fragte Mercurio erregt.
    Giuditta hielt seine Hand fest in der ihren.

Weitere Kostenlose Bücher