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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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schien schlimmer zu werden. Sie war geschwollen und unnatürlich violett verfärbt.
    »Was sucht Ihr?«, fragte Hauptmann Lanzafame am Ende der Treppe, alarmiert von der Ankunft des Trupps.
    Ihr Anführer, der hohe Beamte des Dogen, stieg unbeeindruckt die letzten Stufen hinauf, bis er vor Lanzafame stand. Dann holte er mit amtlicher Miene eine Pergamentrolle aus seiner Schultertasche.
    Auch Isacco kam dazu, und im ganzen Treppenhaus drängten sich die Prostituierten an den Geländern.
    »Im Namen und im Auftrag der Erlauchtesten Republik von Venedig«, begann der Beamte zu lesen, »und auf Befehl des Großen Rats und des Senats werden der jüdische Arzt Isacco di Negroponte und seine Söldner aufgefordert …«
    »Sind mit Söldner etwa wir gemeint?«, brauste Lanzafame auf.
    »Unterbrecht uns nicht, Hauptmann Lanzafame«, sagte der Beamte. »Ich respektiere Euch als Soldat, aber was Ihr hier tut, betrachtet man als nicht mit Euren Kompetenzen und Aufgaben vereinbar. Ihr seid beauftragt, die Wachen beim Platz des Ghetto Nuovo zu befehligen. Haltet Euch also an Eure Befehle.«
    Lanzafame steckte den Schlag zunächst schweigend ein und ballte nur stumm die Fäuste. Dann sah er sich um und begegnete Scarabellos Blick. Der Hauptmann deutete erbost mit dem Finger auf ihn: »Du!«
    Scarabello lachte ihm offen ins Gesicht.
    Mercurio versteckte sich. Er wollte nicht, dass Isacco oder Lanzafame ihn sahen. Aber er wollte hören, was geschah.
    »Ihr werdet aufgefordert«, fuhr der Beamte des Dogen fort, »sofort diesen Ort zu räumen, der zur Ausübung des Dirnengewerbes bestimmt ist, damit er nicht mit der Krankheit verseucht wird, von der die Prostituierten befallen sind, und um sie nicht noch weiter zu verbreiten …«
    »Wir sind es doch nicht, die die Franzosenkrankheit verbreiten!«, protestierte Isacco.
    »Schweigt!«, fuhr ihn der Beamte barsch an. »Daher wird angeordnet und befohlen, dass Ihr selbiges fünfte Stockwerk des Torre delle Ghiandaie räumt. Gleichzeitig wird Euch verboten, auch dies im Namen des Großen Rats und des Senats, Euch andernorts in den Räumlichkeiten des besagten Castelletto niederzulassen.«
    Lanzafame ging drohend auf den Beamten zu.
    Die Garden des Dogen griffen zu ihren Waffen.
    »Schäm dich«, sagte Lanzafame. »Du hast die Republik Venedig an diesen Abschaum da verkauft.« Und damit zeigte er auf Scarabello. »Daher bist du nicht besser als der. Weder du noch deine Auftraggeber.« Er wandte sich an Isacco. »Wir müssen gehen.«
    »Aber …« Isacco breitete verzweifelt die Arme aus.
    »Wir müssen gehen, Doktor!«, brüllte Lanzafame aufgebracht. »Die Politik hat gesiegt! Oder vielmehr die Intrige! Geht das nicht in deinen Kopf?«
    Isacco wandte sich zu den Prostituierten, denen man ihre Angst deutlich anmerkte.
    »Wohin sollen wir denn gehen?«, fragte Isacco und fiel dabei fast in sich zusammen.
    »Ich weiß es doch auch nicht!«, brüllte Lanzafame noch lauter. Dann wandte er sich Scarabello zu, der mit triumphierendem Lächeln seinen Sieg genoss. »Ich werde dich umbringen, du elender Wurm, ich zerquetsche dich!«
    »Aber nicht heute«, lachte Scarabello. »Und nicht hier.« Er breitete die Arme aus wie ein Beifall heischender Schauspieler. »Meine lieben süßen Huren, gleich werden saubere Zimmer frei. Der Preis bleibt unverändert. Keine Mieterhöhung. Und jetzt sagt schön Danke!«
    Die Prostituierten verharrten schweigend.
    »Wer nicht Danke sagt, hat kein Anrecht auf ein Zimmer«, zischte Scarabello drohend.
    Erst da bedankten sich einige der Prostituierten, jedoch mit sichtlichem Widerwillen.
    Mercurio, der sich im Treppenhaus im vierten Stock verborgen gehalten hatte, wollte eigentlich schnell davonschleichen. Doch dann konnte er der Versuchung nicht widerstehen und stieg unbemerkt noch einmal die Stufen zum fünften Stockwerk hinauf. Und da sah er, wie Isacco sich resigniert zu den kranken Frauen umwandte und sie aufforderte, ihre wenigen Habseligkeiten zu packen. Auf einmal tat ihm der alte Mann leid.
    »Was habe ich gesagt? Du bist viel zu sentimental, Winzling«, sagte Scarabello zu ihm, als er ihn lachend im Treppenhaus einholte.
    Auf dem ganzen Weg nach unten hatte Mercurio einen dicken Kloß im Hals.
    »Macht schon«, sagte im fünften Stockwerk der Beamte des Dogen.
    Lanzafame trat ganz nah an ihn heran. »Mal ganz unter uns, schämst du dich wenigstens?«, sagte er so leise, dass es niemand anderes mitbekam.
    Der Beamte senkte den Blick zu Boden und blieb ihm die

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