Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
hinter dem Giuditta vor Schreck wie versteinert stand. »Nein, ich habe noch eine Verabredung.«
Giuditta fühlte, wie ihre Beine nachzugeben drohten. Sie rannte auf die Tür zu, doch von dort eilte ihr ein Diener entgegen, der sie aufforderte, mitzukommen.
Während Giuditta dem Diener über einen langen Gang folgte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Mehrere räudige kleine Hunde kläfften ihr wütend hinterher. Dann geleitete der Diener sie in den Raum, wo Benedetta sie schon erwartete. Sie hatte sich auf dem himmelblauen Teppich aufgebaut, und zu ihren Füßen sah man deutliche Spuren vom Blut des Mannes, dem der Adlige die Wange aufgeschlitzt hatte.
Benedetta starrte sie schweigend an. Zerstörung, Untergang, Unglück über dich, dachte sie, bis zu deinem Tod. Ihr Hass auf die Jüdin kannte kein Maß. »Ciao, Giuditta«, sagte sie. »Hat dir das Schauspiel gefallen?«
Giuditta brachte vor Angst kein Wort heraus.
»Dieser Mann hatte mich verleumdet«, sagte Benedetta. »Und der Fürst, mein Herr, erträgt nicht, dass jemand Übles über mich sagt. Er ist aufbrausend und grausam.«
Giuditta nickte. Sie fühlte sich so unwissend, so verletzlich.
Benedetta musterte sie zufrieden. Sie hatte ihr eine Lüge aufgetischt. Der Mann hatte gar nicht schlecht über sie geredet, was den Fürsten Contarini wohl auch kaum berührt hätte. Tatsächlich hatte er schlecht über ihn geredet. Doch das konnte Giuditta nicht wissen. Und Benedetta interessierte nur, dass dieses dumme Judenmädchen durch das Erlebte so erschreckt worden war, dass sie ihr alles glauben würde, was sie ihr nun erzählte. Sie kam näher.
»Weißt du, warum ich die Geliebte des Fürsten Contarini geworden bin?«, fragte sie Giuditta.
Giuditta schöpfte ein wenig Atem. Sie schüttelte den Kopf.
»Zu meinem eigenen Vorteil. Jetzt bin ich reich, habe Dienstboten und werde bewundert. Man hat Respekt vor mir. Ich habe Macht.« Sie nickte. »Ja, zu meinem Vorteil«, wiederholte sie. »Und ich tue es für Mercurio.«
Giuditta runzelte die Stirn. »Was hat das mit … Mercurio zu tun?«
Benedetta ging einen Schritt auf sie zu.
»Hast du gesehen, zu welch unendlicher Grausamkeit mein Herr fähig ist?«
Giuditta nickte stumm.
»Vor einiger Zeit hat Mercurio den Fürsten beleidigt«, sagte Benedetta und blickte ihr dabei so offen in die Augen, dass Giuditta es für wahr halten musste. »Der Fürst begehrte mich, und Mercurio hat mich verteidigt. Er hat den Fürsten gedemütigt und ist nur davongekommen, weil ein mächtiger Verbrecher dazwischengegangen ist. Sein Name ist Scarabello …«
Giuditta riss vor Erstaunen den Mund auf. Sie erinnerte sich an den Namen. Dieser Mann hatte Donnola getötet.
»Aha! Du kennst ihn also!«, rief Benedetta zufrieden. Dieser Umstand begünstigte ihren Plan. »Doch der Fürst hat geschworen, er würde Mercurio töten. Was meinst du wohl, warum er jetzt in Mestre lebt? Sicher nicht, weil das so ein nettes kleines Städtchen ist. Er lebt dort, weil er hier in Gefahr wäre. Jedes Mal wenn er Venedig betritt, riskiert er sein Leben.« Benedetta schwieg kurz, um ihre Worte auf Giuditta wirken zu lassen. »Im Augenblick kann ich meinen Fürsten noch zurückhalten«, fuhr sie fort. »Ich bleibe auch deshalb bei ihm, um Mercurios Leben zu retten.«
»Ja … und …?«, fragte Giuditta.
Benedetta schüttelte verächtlich den Kopf. »Du dumme Gans«, sagte sie. »Ich werde ihn bestimmt nicht weiter schützen, damit er sich mit dir vergnügt.«
Giuditta errötete verwirrt.
»Begreifst du immer noch nicht?« Benedetta erhob ihre Stimme. »Du musst Mercurio von dir fernhalten. Du musst ihm sagen, dass du ihn nicht mehr haben willst, und dabei sehr überzeugend sein.« Sie kniff Giuditta in die Wange wie einem kleinen Kind. »Sonst werde ich ihn nicht mehr beschützen.«
»Warum tust du das …?«, fragte Giuditta, in der nun aus Sorge um Mercurio Panik aufstieg.
Benedetta lachte höhnisch. »Weil ich dich hasse. Weil du nichts wert bist. Weil du ihn nicht verdient hast. Und weil ich nicht will, dass du dich mit ihm vergnügst, während ich mich hier opfere.« Sie ging drohend auf Giuditta zu. »Entweder wird keine von uns beiden ihn haben … Oder ich lasse zu, dass der Fürst ihn tötet.«
Giuditta erfasste eine rasende Wut, die sie nicht unterdrücken konnte. »Und du wagst zu behaupten, dass du ihn liebst?«, schrie sie und war vor Eifer ganz rot im Gesicht.
Als Benedetta sie so auffahren sah, versetzte es ihrem Herzen
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